Der Grabritter (German Edition)
Briefvordrucke und in einem goldenen Kästchen ein Stoß Visitenkarten. Sie gehörten Ferruccio Vigiani. Demnach musste dies wohl sein Arbeitszimmer sein. Gerade wollte Kerner um den Schreibtisch herumgehen, da hörte er hinter sich ein Geräusch. Er bemühte sich den Eindruck zu erwecken, als würde er sich sehr für den edlen Schreibtisch interessieren. Schließlich drehte er sich um und ging gelassenen Schrittes wieder zur Tür. Er warf einen Blick zur Seite und entdeckte hinter der Scheibe einer Terrassentür das Gesicht von Bice.
Sie öffnete die Tür und kam in das Zimmer. »Victor, was machst du hier?«, fragte sie erstaunt. Kerner spielte den Überraschten und drehte sich zu ihr um. Verlegen lachte er sie an. »Ich habe dich gesucht. Und das schon eine ganze Weile. Euer Haus ist der reinste Irrgarten. Bitte verzeih mir meine Neugierde. Immer wenn ich irgendwo in ein Zimmer hineingesehen habe, habe ich irgendetwas entdeckt, was ich einfach näher betrachten musste. Zum Beispiel dieser Schreibtisch da. Er muss ein wahres Vermögen wert sein.« Bice lachte. »Du hast recht. Mein Bruder legt großen Wert auf das Umfeld, in dem er die meiste Zeit verbringt, und das ist nun einmal sein Arbeitszimmer. Der Tisch ist eine handgefertigte Nachbildung des Schreibtisches von Ludwig II., König von Bayern. Das Original steht auf Schloss Neuschwanstein. Es ist leider nicht verkäuflich. Mein Bruder hat also diese exakte Kopie anfertigen lassen, die dann ebenfalls in Handarbeit mit hochwertigem Blattgold verziert wurde.
Du hast großes Glück, dass er nicht hier ist. Er würde dich sonst möglicherweise aus dem Haus jagen.« Verlegen senkte Kerner den Kopf. »Natürlich Bice, es war ziemlich unverschämt einfach hier herumzulaufen. Bitte entschuldige.« Sie kam zu ihm herüber und legte die Arme um seinen Hals. »Schon gut. Ich freue mich, dass du da bist. Was ist mit dem Gemälde? Ihr könnt doch unmöglich schon fertig sein.« Kerner fasste Bice an den Hüften, hob sie hoch und drehte sich übermütig mit ihr im Kreis. »Meine liebe Bice, ich habe beschlossen, deinem Vater und seinem Team zu vertrauen. Ich wollte viel lieber den herrlichen Tag mit dir verbringen. Ich dachte, wir könnten ein bisschen nach draußen gehen und du zeigst mir euer Anwesen. Dann wären wir vielleicht auch etwas ungestörter als hier im Haus.«
Am Springbrunnen vor dem Eingang saßen zwei riesige Deutsche Doggen. Kerner sah sie und blieb auf der Treppe stehen. Bice lachte schallend und lief die Treppe herunter. »Die flößen einem ordentlich Respekt ein, nicht wahr?« Kerner grinste. »Ich kann es nicht verleugnen. Gibt es vielleicht so etwas wie ein Zauberwort, um sie zum Gehen zu bewegen?« Bice drehte sich zu den Hunden um. »Jupiter, Tacita, Platz!« Gemächlich streckten sich die beiden Kolosse aus und fingen an, friedlich vor sich her zu hecheln, als gäbe es nichts auf der Welt, was sie aus der Ruhe bringen könnte. Bice ging zu ihnen und kraulte sie am Hals. Sie winkte Kerner zu sich herunter. »Na komm schon, Victor, nur keine Angst. Sie müssen deine Witterung aufnehmen.« Kerner ging die Treppe herunter und hatte auch nicht wirklich Angst vor den Tieren, aber das musste ja nicht unbedingt jeder wissen. Am Anfang seiner Polizeilaufbahn war er einige Zeit Ausbilder einer Hundestaffel gewesen. Bis ihm sein Job irgendwann keine Zeit mehr dafür ließ. Dennoch liebte er Hunde, und der Umgang mit ihnen lag ihm einfach im Blut. Er kniete sich zu Bice und den beiden hin. Beruhigend redete er auf sie ein und streichelte ihnen über den Kopf. Bice sah ihm dabei zu. »Du kannst sehr gut mit Tieren umgehen, Victor. Ich merke es an der Reaktion von Tacita. Sie gehorcht mir aufs Wort, aber sie hat auch einen absoluten Killerinstinkt. Das darfst du mir glauben. Ich habe sie einem Fremden gegenüber noch nie so zutraulich gesehen.« Bice lachte Kerner an. »Du kannst also kein schlechter Mensch sein, Victor Baranow. Tacita würde es sofort merken und es mir sagen.« Kerner sah ruhig in die Augen der Hündin. »So, so … Tacita ist also dein Name. Die Göttin des Todes. Na dann bin ich ja wirklich froh, dass ich in dir eine Fürsprecherin gefunden habe, Tacita. Das ist mir übrigens auch bedeutend angenehmer, als von dir gefressen zu werden.« Bice stieß Kerner lachend in die Rippen, und stand auf. Sie sah sich den Himmel an. Die Sonne schien kräftig und es war immer noch sehr mild für die Jahreszeit. Kerner erhob sich ebenfalls
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