Der Graf von Castelfino
oder wenigstens nach einem Blick von ihm. Sie folgte Gianni mit ihren Blicken, als er sich durch das Gewühl kämpfte und die Gäste mit seinem Charme verzauberte. Für jeden hatte er ein Lächeln und ein freundliches Wort – nur nicht für Meg. Notgedrungen versuchte sie, ihre Aufmerksamkeit ganz dem Gast zu widmen, mit dem sie sich gerade unterhielt.
Meg war es nicht gewohnt, in Gesellschaft locker zu plaudern, doch wenn nötig, konnte sie unterhaltsam sein. Gianni war darin natürlich Experte, und an diesem Abend lieferte er sein Meisterstück. Nachdem er seine Runde durch den Saal beendet hatte und zu ihr zurückkehrte, brannte sie vor Erwartung.
„Gott sei Dank, dass Sie da sind, Gianni! Ich weiß nicht, was ich noch reden soll.“
„Oh, das bezweifle ich.“ Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln. „Sie sind ein Naturtalent, Megan. Ich habe Sie beobachtet. Sie haben Ihre wahre Berufung verfehlt.“
Meg errötete und öffnete den Mund zum Protest, doch Gianni winkte ab. „Widersprechen Sie nicht. Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn von ‚britischer Reserviertheit‘. Mit purer Bescheidenheit gewinnt man keinen Wettbewerb.“
Während er sich mit ihr unterhielt, ließ Gianni den Blick durch den Ballsaal schweifen. Er war der perfekte Gastgeber. Obwohl er sich voll auf seine Gäste konzentrierte, war ihm eine andere Sache nicht entgangen, nachdem er Meg auf die Tanzfläche geführt hatte.
„Es ist eine Freude zu erleben, dass Sie meinen Gästen nicht auf den Füßen herumgetrampelt sind. Nicht viele Frauen tanzen so gut wie Sie.“
Dieses Mal widersprach sie nicht. „Danke, Gianni. Es ist eine nützliche Fertigkeit.“
„Und davon besitzen Sie einige. Danke, dass Sie mir an diesem Abend eine so starke Stütze sind.“ Er bedachte sie mit einem glutvollen Blick, der sie heiß erschauern ließ. Nun ergaben die zahlreichen Komplimente, die Gianni ihr über ihre Arbeit gemacht hatte, einen Sinn. Er schätzte ihre Anstrengungen also. Auch seine Gäste beurteilten ihre Arbeit mit höchster Anerkennung. Unmöglich, dass sie ihre lobenden Worte aus lauter Höflichkeit von sich gaben. Offenbar war es ihnen ernst mit dem, was sie sagten. Nach zwei Gläsern Champagner und den vielen Komplimenten wartete sie gespannt, was die Nacht noch bringen würde.
„Es ist alles nur Show“, gestand sie.
„Niemals!“, rief er lachend aus. „Wenn ich Sie jetzt zum Beispiel richtig in die Arme nehme und Sie über die Tanzfläche wirble, sehen Sie, so …“
Mit einer kühnen Bewegung zog er Meg an sich und tanzte mit ihr in die Mitte des Parketts. Die anderen Paare wichen zur Seite zurück. Atemlos vor Überraschung und Begeisterung ließ Meg sich von seinem starken Arm führen, der sie hielt, als sei sie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Ihr wunderschönes neues Abendkleid schillerte wie eine Pfauenfeder im Schein der unzähligen Kerzen. Ganz gefangen vom Zauber des Augenblicks, sah sie Gianni tief in die dunklen Augen.
„Gianni … ich hätte nie gedacht, dass etwas sich so wunderbar anfühlen könnte“, sagte sie atemlos. Sein Lächeln wurde breiter. Instinktiv wusste Meg, dass sie wieder einmal das Falsche gesagt hatte. Dies war Gianni Bellini. Sein Schweigen hatte sie dazu gebracht, ihm in seinem Büro ihr Herz auszuschütten. Nun führten sie sein fester Griff und sicherer Schritt beim Tanzen in noch größere Gefahr. Nur absolute Selbstbeherrschung hätte sie retten können. Durch ihr voreiliges Geständnis musste er sich einmal mehr als Ladykiller bestätigt sehen. Sie hatte ihm richtiggehend in die Hände gespielt.
Meg hätte sich ohrfeigen können, dass sie einen derart intimen Körperkontakt mit ihm zuließ, und trotzdem konnte sie nichts dagegen tun. Während seine linke Hand ihre umfasste, lag die rechte in einer beschützenden Geste auf ihrem Rücken. Ihre Brüste pressten sich fest gegen seine breite Brust, als sie Runde um Runde durch den Saal drehten.
Meg strahlte in seinen Armen und zeigte sich von ihrer besten Seite, während sie sich von ihm führen ließ. Als die letzten Töne des Straußwalzers verklangen, erlosch das Lächeln auf ihrem Gesicht vor Enttäuschung. Dann begann der Applaus. Wie eine gerade erwachte Schlafwandlerin blickte sie um sich und stellte fest, dass der ganze Saal applaudierte – einschließlich Gianni.
„Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen die qualifizierteste, die wendigste und schönste Chefgärtnerin in der Geschichte der hohen Gartenbaukunst
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