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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Freunde hinstellen, eine Belohnung geben, die für die Treue bestimmt ist?« fragte der Abbé.
    »Freilich, Sie haben recht«, entgegnete Caderousse. »Was wäre für sie übrigens auch das Vermächtnis des armen Edmund? Ein Tropfen Wasser, der ins Meer fällt.«
    »Ganz abgesehen davon, daß diese Leute dich mit einer Handbewegung zerschmettern können«, fi el die Frau ein.
    »Wieso? Sind diese Leute denn reich und mächtig geworden?«
    »Dann kennen Sie also deren Geschichte nicht?«
    »Nein, erzählen Sie mir.«
    Caderousse schien einen Augenblick zu überlegen.
    »Nein, wirklich«, sagte er dann, »es wäre zu lang.«
    »Es steht Ihnen frei zu schweigen, mein Freund«, entgegnete der Abbé mit dem Ton höchster Gleichgültigkeit, »und ich achte Ihre Bedenken; sprechen wir also nicht weiter davon. Womit war ich denn beauftragt? Mit einer einfachen Formalität. Ich werde also den Diamanten hier verkaufen.«
    Und er zog den Behälter aus der Tasche, öff nete ihn und ließ den Diamanten vor den Augen Caderousses glänzen.
    »Sieh doch, Frau«, sagte er mit heiserer Stimme.
    »Ein Diamant?« sagte die Wirtin, indem sie aufstand und mit ziemlich festem Tritt die Treppe herunterkam. »Was ist denn mit diesem Diamanten?«
    »Hast du denn nicht gehört, Frau? Das ist ein Diamant, den der Kleine uns vermacht hat: seinem Vater, seinen drei Freunden, Ferdinand, Danglars und mir, und Mercedes, seiner Braut. Der Diamant ist fünfzigtausend Franken wert.«
    »Oh, das schöne Kleinod!« rief sie.
    »Der fünfte Teil dieser Summe gehört uns also?« fragte Caderousse.
    »Ja«, antwortete der Abbé, »und außerdem der Anteil des Vaters, den ich mich für berechtigt halte, unter Sie vier zu verteilen.«
    »Und weshalb unter uns vier?« fragte die Wirtin.
    »Weil Sie die vier Freunde Edmunds waren.«
    »Das sind keine Freunde, die einen verraten!« murmelte die Frau dumpf.
    »Ja«, fi el Caderousse ein, »das sagte ich ja; es ist fast eine Entwei-hung, eine Sünde, den Verrat zu belohnen.«
    »Sie haben es ja so gewollt«, entgegnete ruhig der Abbé, indem er den Diamanten wieder in die Tasche seines Priesterrocks steckte.
    »Jetzt geben Sie mir die Adresse der Freunde Edmunds, damit ich seinen letzten Willen vollstrecken kann.«
    Von Caderousses Stirn fl oß der Schweiß in schweren Tropfen; er sah den Abbé aufstehen und nach der Tür gehen, wie um nach seinem Pferd zu sehen.
    Der Wirt und seine Frau sahen einander mit einem unbeschreiblichen Ausdruck an. »Der Diamant wäre ganz für uns«, sagte Caderousse.
    »Glaubst du ihm?« antwortete die Frau.
    »Ein Mann der Kirche würde uns nicht täuschen.«
    »Mach, was du willst«, sagte die Frau; »ich mische mich nicht ein.«
    Und sie ging wieder zur Treppe; sie zitterte, und trotz der Wärme klapperten ihre Zähne. Auf der letzten Stufe hielt sie einen Augenblick an.
    »Überleg dir’s wohl, Gaspard!« sagte sie.
    »Ich bin entschlossen«, antwortete Caderousse.
    Die Wirtin begab sich wieder auf ihr Zimmer, indem sie einen Seufzer ausstieß. Man hörte die Decke unter ihren Tritten knarren, bis sie ihren Lehnstuhl erreicht hatte, auf den sie schwer niederfi el.
    »Wozu sind Sie entschlossen?« fragte der Abbé, der zurückkam.
    »Ihnen alles zu sagen«, antwortete Caderousse.
    »Ich glaube auch wirklich, daß es das beste ist«, sagte der Priester.
    »Nicht, daß mir daran liegt, Dinge zu wissen, die Sie mir verbergen möchten; wenn Sie mir aber dazu behilfl ich sein können, die Legate nach dem Wunsch des Testators zu verteilen, ist das jedenfalls das beste.«
    »Ich hoff e es«, antwortete Caderousse, dessen Wangen die Röte der Hoff nung und Gier färbte.
    »Ich höre Ihnen zu«, sagte der Abbé.
    »Warten Sie«, entgegnete Caderousse, »man könnte uns bei der interessantesten Stelle unterbrechen, und das wäre unangenehm; außerdem braucht niemand zu wissen, daß Sie hierhergekommen sind.«
    Und er ging nach der Haustür, verschloß sie und legte zur größeren Sicherheit den Nachtriegel vor.
    Unterdessen hatte der Abbé seinen Platz gewählt, um in Ruhe zuhören zu können; er hatte sich in eine Ecke gesetzt, so daß er im Schatten blieb, während das Licht voll auf das Gesicht des Wirtes fi el. Den Kopf geneigt, die Hände gefaltet oder vielmehr zusam-mengekrampft, erwartete er die Erzählung.
    Caderousse setzte sich ihm gegenüber auf einen Schemel.
    »Denke daran, daß ich dich zu nichts treibe!« sagte die zitternde Stimme der Wirtin, als ob sie durch die Decke

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