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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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berüchtigten Metzeleien im Süden stattfanden. In Nîmes watete man buchstäblich im Blute; bei jedem Schritt traf man auf Leichen; die in Banden organisier-ten Mörder töteten alles, was Bonapartist war, plünderten und seng-ten.
    Beim Anblick dieses Blutbades ergriff mich ein Zittern, nicht meinetwegen; ich, ein einfacher korsischer Schiff er, hatte nichts zu fürchten; im Gegenteil, jene Zeit war eine gute Zeit für uns Schmuggler, aber ich fürchtete für meinen Bruder, einen Soldaten des Kaisers, der mit seiner Uniform und seinen Epauletten von der Loirearmee zurückkam.
    Ich eilte zu dem Wirtshaus. Meine Ahnungen hatten mich nicht getäuscht; mein Bruder war am Tag vorher in Nîmes angekommen und an der Tür desjenigen, um dessen Gastfreundschaft er nachsu-chen wollte, ermordet worden.
    Ich tat, was ich konnte, um seine Mörder ausfi ndig zu machen; aber niemand wagte mir ihre Namen zu sagen, so sehr waren sie gefürchtet. Da dachte ich an die französische Justiz, von der man mir soviel erzählt hatte, die nichts fürchtet, und begab mich zum Staatsanwalt.«
    »Und dieser Staatsanwalt nannte sich Villefort?« fragte Monte Christo nachlässig.
    »Ja, Exzellenz; er kam von Marseille, wo er Zweiter Staatsanwalt gewesen war. Sein Eifer hatte ihm Beförderung eingebracht. Er war, wie es hieß, einer der ersten, die der Regierung die Abfahrt Napoleons von der Insel Elba gemeldet hatten.«
    »Sie gingen also zu ihm«, sagte Monte Christo, »und weiter?«
    »›Herr Staatsanwalt‹, sagte ich zu ihm, ›mein Bruder ist gestern in den Straßen von Nîmes ermordet worden, ich weiß nicht von wem, aber es ist Ihre Pfl icht, das in Erfahrung zu bringen. Sie sind hier der Chef der Justiz, und es ist Sache der Justiz, die zu rächen, die sie nicht hat schützen können.‹
    ›Und was war Ihr Bruder?‹ fragte der Staatsanwalt.
    ›Leutnant im korsischen Bataillon.‹
    ›Also ein Soldat des Usurpators?‹
    ›Ein Soldat der französischen Armee.‹
    ›Nun‹, antwortete er, ›er hat das Schwert gezogen und ist durch das Schwert umgekommen.‹
    ›Sie irren sich, er ist durch den Dolch umgekommen.‹
    ›Was soll ich tun?‹ antwortete der Beamte.
    ›Das habe ich Ihnen gesagt: Sie sollen ihn rächen.‹
    ›Und an wem?‹
    ›An seinen Mördern.‹
    ›Kenne ich sie denn?‹
    ›Lassen Sie sie suchen.‹
    ›Wozu? Ihr Bruder wird in Streit geraten und im Zweikampf gefallen sein. Alle diese alten Soldaten begehen Ausschreitungen, die sie sich unter dem Kaiserreich strafl os leisten konnten, die jetzt aber übel für sie ausfallen; unsere Leute hier im Süden lieben weder die Soldaten noch die Ausschreitungen.‹
    ›Herr Staatsanwalt‹, antwortete ich, ›ich bitte Sie nicht meinetwegen. Ich werde weinen oder mich rächen; aber mein armer Bruder hat eine Frau. Wenn mir nun auch ein Unglück zustieße, würde sie verhungern, denn sie lebte allein von der Arbeit meines Bruders.
    Erwirken Sie für sie eine kleine Pension von der Regierung.‹
    ›Jede Revolution kostet Opfer‹, erwiderte Herr von Villefort; ›Ihr Bruder ist solch ein Opfer geworden, das ist ein Unglück, und die Regierung schuldet darum Ihrer Familie nichts. Wenn wir alle die Racheakte abzuurteilen hätten, die Parteigänger des Usurpators gegen die des Königs ausgeübt haben, als sie an der Macht waren, so würde Ihr Bruder vielleicht heute zum Tode verurteilt sein. Was geschehen ist, ist etwas ganz Natürliches, denn es entspricht dem Gesetz der Wiedervergeltung.‹
    ›Wie können Sie als Beamter so sprechen?‹ rief ich.
    ›Alle Korsen sind Narren, wahrhaftig‹, entgegnete Herr von Villefort, ›und sie glauben noch, daß ihr Landsmann Kaiser sei.
    Sie irren sich in der Zeit, mein Lieber; Sie hätten mir das vor zwei Monaten sagen müssen; heute ist es zu spät; gehen Sie also, und wenn Sie nicht gehen, werde ich Sie hinausführen lassen.‹
    Ich sah ihn einen Augenblick an, ob sich durch eine nochmalige Bitte etwas erhoff en ließe. Dieser Mann war von Stein. Ich trat vor ihn hin.
    ›Wohlan‹, sagte ich halblaut, ›da Sie die Korsen kennen, so müssen Sie wissen, wie sie ihr Wort halten. Sie fi nden, daß man wohl daran getan hat, meinen Bruder, der Bonapartist war, zu töten, weil Sie Royalist sind; gut, ich bin Bonapartist, und ich erkläre Ihnen, daß ich Sie töten werde. Von diesem Augenblick ab kündige ich Ihnen die Vendetta an. Also hüten Sie sich; denn das erstemal, wo wir uns wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber befi nden,

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