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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ohne Mitleid für andre. Wohlan denn, ich sage Ihnen, man wird ohne Mitleid für Sie sein!«
    »Sei es!« sagte Villefort, indem er drohend den Arm hob.
    »Verschieben Sie wenigstens den Fall dieses Unglücklichen, wenn er ergriff en wird, bis zur nächsten Verhandlungsperiode; damit gewinnen wir ein halbes Jahr, in dem man vergessen kann.«
    »Nein«, sagte Villefort, »ich habe noch fünf Tage; die Untersuchung ist abgeschlossen, fünf Tage sind mehr, als ich brauche; zudem verstehen Sie nicht, daß auch ich vergessen muß? Nun wohl, wenn ich arbeite, und ich arbeite Tag und Nacht, gibt es Augenblicke, wo ich mich nicht mehr erinnere, und wenn ich mich nicht mehr erinnere, bin ich glücklich wie die Toten, aber das ist immer noch besser als zu leiden.«
    »Herr von Villefort, er ist gefl ohen, lassen Sie ihn entkommen! Es ist leicht, gut zu sein, indem man einfach nichts tut.«
    »Aber ich habe Ihnen gesagt, daß es zu spät ist; der Telegraf hat gespielt, und um diese Stunde …«
    »Gnädiger Herr«, sagte der Kammerdiener, der in diesem Augenblick eintrat, »ein Dragoner hat diese Depesche aus dem Ministerium des Innern gebracht.«
    Villefort ergriff das Papier und riß es rasch auf; Frau Danglars bebte vor Schrecken, Villefort vor Freude.
    »Verhaftet!« rief Villefort. »Man hat ihn in Compiègne verhaftet; wir sind am Ziel.«
    Frau Danglars erhob sich kalt und bleich.
    »Adieu, mein Herr«, sagte sie.
    »Adieu, gnädige Frau«, antwortete der Staatsanwalt fast freudig, indem er sie bis zur Tür geleitete.
    Als sein Besuch fort war, setzte er sich wieder an den Schreibtisch.
    »So«, sagte er, indem er mit dem Rücken der rechten Hand auf den Brief schlug, »ich hatte eine Fälschung, drei Diebstähle, drei Brandstiftungen, es fehlte nur noch ein Mord. Da ist er; die Sitzungsperiode wird schön sein.«
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    Valentine war noch nicht wiederhergestellt. Erschöpft und kraftlos hütete sie das Bett und hörte teilnahmslos aus dem Mund ihrer Stiefmutter von der Flucht Eugenies und der Verhaftung Andrea Cavalcantis. Wäre sie gesund gewesen, so hätten sie die Ereignisse aufs tiefste betroff en, aber jetzt waren es nur einige unklare Vorstellungen mehr, die durch ihr krankes Gehirn zogen, und bald verschwand alles wieder, und es blieb nur das Gefühl ihres eigenen Zustandes.
    Am Tag wurde Valentine noch durch die Anwesenheit Noirtiers in der Wirklichkeit erhalten; der Greis ließ sich zu seiner Enkelin tragen und blieb bei ihr, sie mit väterlichem Auge betrachtend. Wenn Villefort dann aus dem Justizpalast kam, brachte er eine oder zwei Stunden mit seinem Vater und seiner Tochter zu.
    Um sechs Uhr zog sich Villefort in sein Arbeitszimmer zurück; um acht Uhr kam d’Avrigny, der selbst die Arznei für die Nacht mitbrachte; dann wurde Noirtier in seine Gemächer getragen.
    Schließlich erschien eine Pfl egerin, die der Doktor selbst ausge-sucht hatte, und diese zog sich erst zurück, wenn Valentine gegen zehn oder elf Uhr eingeschlafen war.
    Wenn die Pfl egerin hinunterging, übergab sie den Schlüssel zu dem Zimmer Valentines Herrn von Villefort selbst, so daß man nur noch durch die Zimmer der Frau von Villefort und das Zimmer des kleinen Eduard zu der Kranken gelangte.
    Jeden Morgen fand sich Morrel bei Noirtier ein und erkundigte sich nach Valentine; aber Morrel erschien ihm mit jedem Tage weniger unruhig. Einmal ging es Valentine, obgleich sie noch sehr reizbar war, mit jedem Tag besser, und dann hatte ihm ja Monte Christo gesagt, daß, wenn Valentine in zwei Stunden nicht tot wäre, sie gerettet werden könne. Jetzt waren vier Tage verfl ossen, und Valentine lebte noch.
    Die nervöse Erregung verfolgte Valentine bis in den Schlaf oder vielmehr in den Zustand des Halbschlafs, der ihrem Wachen folgte. In der Stille der Nacht und in dem schwachen Licht, das die auf dem Kamin stehende Nachtlampe unter ihrer Alabasterglocke ver-breitete, sah sie undeutliche Schatten vorüberhuschen, wie sie das Zimmer eines Kranken bevölkern.
    Es war ihr dann, als ob sie bald ihre Stiefmutter sähe, die sie bedroh-te, bald Morrel, der ihr die Arme entgegenstreckte. Manchmal sah sie Personen, die ihr fast Fremde waren, wie den Grafen von Monte Christo; selbst die Möbel schienen sich in diesen Augenblicken des Fiebers zu bewegen, und das dauerte so bis gegen zwei oder drei Uhr morgens. Anschließend fi el sie in bleiernen Schlaf.
    An dem Abend des Tages, an dem Valentine die Flucht Eugenies und

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