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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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    gern und öff nete den Mund; aber trotz der zahllosen schrecklichen Vorstellungen, die sich in seinem Gehirn drängten, fand er kein Wort. Er machte plötzlich kehrt und fuhr sich mit den Händen in die Haare, so daß d’Avrigny und Villefort, die einen Augenblick von dem, was sie beschäftigte, abgelenkt waren, einen Blick wechselten, der besagte: Er ist irre!
    Aber ehe fünf Minuten verfl ossen waren, hörte man die Treppe unter einem schweren Gewicht ächzen und sah Morrel, der mit übermenschlicher Kraft den Lehnstuhl mit dem Greis heraufbrachte.
    Oben angekommen, setzte Morrel den Stuhl nieder und rollte ihn in das Zimmer Valentines. Die wahnsinnige Erregung des jungen Mannes hatte seine Kraft verzehnfacht.
    Aber eins war besonders schrecklich: das Gesicht Noirtiers, während er von Morrel an das Bett herangeschoben wurde, dieses Gesicht, in dem die Augen alle ihre Macht vereinten, um die andern Fähigkeiten zu ersetzen.
    Dieses bleiche Gesicht mit dem fl ammenden Blick war für Villefort eine schreckliche Erscheinung. Jedesmal, wenn er mit seinem Vater zusammengekommen war, mußte etwas Furchtbares vorgegangen sein.
    »Sehen Sie, was Sie aus ihr gemacht haben!« rief Morrel, der sich mit einer Hand auf die Lehne des Stuhles stützte, den er bis zum Bett geschoben hatte, während die andre auf Valentine zeigte. »Sehen Sie, Vater, sehen Sie!«
    Villefort wich einen Schritt zurück und sah mit Staunen diesen jungen Mann an, der ihm fast unbekannt war und Noirtier Vater nannte. In diesem Augenblick schien die ganze Seele des Greises in seine Augen zu treten, die sich mit Blut füllten; dann schwollen die Adern seines Halses an, eine bläuliche Farbe, wie sie die Haut Epileptischer zeigt, bedeckte seinen Hals, seine Wangen und Schläfen; es fehlte diesem inneren Ausbruch des ganzen Wesens nur ein Schrei.
    Dieser Schrei brach sozusagen aus allen Poren, schrecklich in seiner Stummheit, herzzerreißend in seinem Schweigen.
    D’Avrigny stürzte auf den Greis zu und ließ ihn ein starkes Beru-higungsmittel einatmen.
    »Herr Noirtier«, rief Morrel, indem er die kraftlose Hand des Gelähmten ergriff , »man fragt mich, wer ich bin und welches Recht ich habe, hier zu sein. Oh, Sie, der Sie es wissen, sagen Sie es!« Und die Stimme des jungen Mannes erstickte in Schluchzen.
    Der keuchende Atem des Greises erschütterte seine Brust; man hätte meinen können, daß er eine Beute jener Erregungen sei, die dem Todeskampf vorhergehen. Endlich fl ossen ihm die Tränen aus den Augen; er war glücklicher als der junge Mann, der schluchzte, ohne zu weinen; da sein Kopf sich nicht neigen konnte, schlossen sich seine Augen.
    »Sagen Sie«, fuhr Morrel mit erstickter Stimme fort, »sagen Sie, daß ich ihr Bräutigam war! Sagen Sie, daß sie meine edle Freundin, meine einzige Liebe auf Erden war! Sagen Sie, sagen Sie, daß dieser Leichnam mir gehört!«
    Und der junge Mann, ein schreckliches Schauspiel einer brechen-den gewaltigen Kraft, stürzte schwer vor dem Bett in die Knie, und seine Finger krampften sich in die Decken.
    Dieser Schmerz war so gewaltig, daß d’Avrigny sich abwandte, um seine Bewegung zu verbergen, und daß Villefort mit jener Sympathie, die wir für diejenigen empfi nden, die die Teuren, die wir beweinen, geliebt haben, dem jungen Mann die Hand entgegenstreckte. Aber Morrel sah nichts; er hatte die eiskalte Hand Valentines ergriff en und biß, da er nicht zu weinen vermochte, stöhnend in die Tücher.
    Während einiger Zeit hörte man im Zimmer nur Schluchzen, Verwünschungen und Gebete. Und doch beherrschte ein Geräusch alle diese Laute: das heisere Atmen, das bei jedem Zug der Lungen eine der Lebenskräfte Noirtiers zu zerreißen schien.
    Endlich nahm Villefort, der von allen am meisten seiner selbst Herr war, das Wort. »Mein Herr«, sagte er zu Maximilian, »Sie liebten Valentine, sagen Sie, Sie waren ihr Bräutigam; ich wußte nichts von dieser Liebe und diesem Verlöbnis, und dennoch verzeihe ich Ihnen als Vater, denn ich sehe, Ihr Schmerz ist groß und wahr. Zudem ist auch mein Schmerz zu groß, als daß in meinem Herzen Platz bliebe für den Zorn. Aber Sie sehen, der Engel, auf den Sie hoff ten, hat die Erde verlassen; nehmen Sie darum Abschied von der traurigen Hülle, die sie bei uns vergessen hat; drücken Sie ein letztes Mal die Hand, auf die Sie Ihre Hoff nung gesetzt hatten, und scheiden Sie auf immer von ihr; Valentine bedarf jetzt nur noch des Priesters, der sie segnen soll.«
    »Sie

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