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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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gnädige Frau läßt sagen, daß es eben elf Uhr geschlagen hat und daß die Gerichtsverhandlung um Mittag stattfi ndet.«
    »Nun?« fragte Villefort.
    »Die gnädige Frau ist fertig angekleidet und fragt, ob sie den gnä-
    digen Herrn begleiten soll.«
    »Wohin?«
    »Zum Gericht.«
    »Wozu?«
    »Die gnädige Frau sagt, sie wünsche sehr, der Verhandlung bei-zuwohnen.«
    »Ah!« rief Villefort, »das wünscht sie!«
    Der Bediente wich einen Schritt zurück und sagte: »Wenn der gnädige Herr allein zu gehen wünschen, werde ich es der gnädigen Frau sagen.«
    Villefort blieb einen Augenblick stumm; er drückte sich die Nägel in die bleiche Wange, von der sein schwarzer Bart abstach.
    »Sagen Sie der gnädigen Frau«, sagte er endlich, »daß ich sie sprechen möchte und sie bitte, mich zu erwarten.«
    »Jawohl.«
    »Dann rasieren Sie mich und helfen mir beim Ankleiden.«
    Der Kammerdiener verschwand, kam dann zurück, rasierte Villefort und kleidete ihn in feierliches Schwarz. Als er fertig war, sagte er: »Die gnädige Frau hat gesagt, sie erwarte den gnädigen Herrn, sobald die Toilette des gnädigen Herrn beendet ist.«
    »Ich gehe.«
    Villefort nahm die Akten unter den Arm, den Hut in die Hand und begab sich zu seiner Frau. An der Tür blieb er einen Augenblick stehen und wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der bleichen Stirn. Dann öff nete er.
    Frau von Villefort saß auf einer Ottomane und blätterte mit Ungeduld in den Zeitungen und Broschüren, die der kleine Eduard sich das Vergnügen machte zu zerreißen, ehe seine Mutter sie noch ausgelesen hatte. Sie war vollständig zum Ausgehen angekleidet, ihr Hut lag auf einem Stuhl, sie hatte die Handschuhe angezogen.
    »Ah, da sind Sie!« sagte sie mit ihrer gewöhnlichen ruhigen Stimme.
    »Mein Gott, wie blaß Sie sind! Sie haben also die ganze Nacht gearbeitet? Warum haben Sie denn nicht mit uns gefrühstückt? Nun, nehmen Sie mich mit, oder soll ich mit Eduard allein gehen?«
    Bei allen diesen Fragen war Villefort kalt und stumm geblieben wie eine Statue.
    »Eduard«, sagte er, indem er einen gebietenden Blick auf das Kind richtete, »geh und spiele im Salon, mein Freund, ich muß mit Mama sprechen.«
    Frau von Villefort zitterte, als sie diese kalte Ruhe sah und diesen entschiedenen Ton hörte.
    Eduard hatte den Kopf erhoben und seine Mutter angesehen, und da er sah, daß diese den Befehl Villeforts nicht bestätigte, hatte er seine Beschäftigung, seinen Bleisoldaten die Köpfe abzuschlagen, wieder aufgenommen.
    »Eduard!« rief Villefort so heftig, daß das Kind auf dem Teppich emporfuhr. »Hörst du mich? Geh!«
    Das Kind, das an solch eine Behandlung wenig gewöhnt war, erhob sich und wurde bleich; es wäre schwierig gewesen zu sagen, ob vor Zorn oder Furcht.
    Der Vater nahm den Knaben am Arm, küßte ihn auf die Stirn und sagte: »Geh, mein Kind, geh!«
    Eduard ging aus dem Zimmer. Herr von Villefort riegelte hinter ihm die Tür ab.
    »O mein Gott!« sagte die junge Frau, indem sie ihren Gatten forschend ansah und zu lächeln versuchte. »Was gibt es denn?«
    »Wo verstecken Sie das Gift, dessen Sie sich zu bedienen pfl egen?«
    fragte der Staatsanwalt, der zwischen seiner Frau und der Tür stand, mit klarer Stimme ohne jede Einleitung.
    Frau von Villefort empfand, was die Lerche empfi nden muß, wenn sie über ihrem Haupt die Weihe ihre mörderischen Kreise ziehen sieht.
    Ein rauher, abgebrochener Ton, weder Schrei noch Seufzer, entfuhr ihrer Brust; sie wurde leichenblaß.
    »Ich … ich verstehe nicht«, sagte sie. Sie war im ersten Schreck emporgefahren, jetzt sank sie wie vernichtet wieder auf die Kissen zurück.
    »Ich fragte Sie«, fuhr Villefort mit völlig ruhiger Stimme fort,
    »wo Sie das Gift verstecken, mit dem Sie meinen Schwiegervater, Herr von Saint-Méran, meine Schwiegermutter, Barrois und meine Tochter Valentine getötet haben!«
    »Oh, was sagen Sie?« rief Frau von Villefort, die Hände ringend.
    »Sie haben nicht zu fragen, sondern zu antworten.«
    »Dem Gatten oder dem Richter?« stammelte Frau von Villefort.
    »Dem Richter, Madame, dem Richter!«
    Die Blässe dieser Frau, die Qual ihres Blicks, das Zittern ihres ganzen Körpers boten ein schreckliches Schauspiel.
    »O Villefort!« murmelte sie. »O Villefort!« Das war alles.
    »Sie antworten nicht!« rief der furchtbare Frager; dann fügte er mit einem Lächeln hinzu, das noch entsetzlicher war als sein Zorn:
    »Es ist wahr, Sie leugnen nicht!«
    Sie machte eine

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