Der Graf von Monte Christo
Herrn Morel schmeichelte ihm mehr als ein Geschenk von fünfzig Talern. Aber seit diesem so glücklich durchgeführten Monatsschluß hatte Herr Morel grausame Stunden durchgemacht; um diesen Monatsschluß herbeizuführen, hatte er alle seine Mittel zusammengerafft und sogar einige Juwelen und einen Teil seines Silberzeugs verkauft. Infolge dieser Opfer war diesmal noch alles zur größten Ehre des Hauses Morel vorübergegangen. Die Kasse aber blieb völlig leer. Erschreckt durch umlaufende Gerüchte, zog sich der Kredit mit seiner gewöhnlichen Selbstsucht zurück, und um gegen die 200 000, die in wenigen Wochen zurückzuzahlen waren, aufzukommen, hatte Herr Morel in Wirklichkeit nichts mehr, als die Hoffnung auf die Rückkehr des Pharao, von dessen Abfahrt ein Schiff, das mit ihm die Anker gelichtet, Kunde gegeben hatte. Dieses Schiff, das wie der Pharao von Kalkutta kam, war aber bereits seit vierzehn Tagen im Hafen eingelaufen, während man vom Pharao keine Nachricht hatte.
So standen die Dinge, als der Vertreter des Hauses Thomson und French in Rom am Tage, nachdem er den von uns mitgeteilten Besuch bei Herrn von Boville gemacht hatte, sich bei Herrn Morel einfand. Emanuel empfing ihn. Der erschreckte junge Mann, der in jedem neuen Besucher einen Gläubiger vermutete, wollte seinem Herrn den Ärger ersparen und ihn selbst abfertigen. Der Geschäftsreisende erklärte ihm aber, er müsse durchaus mit Herrn Morel persönlich sprechen.
Emanuel rief seufzend Cocles und befahl ihm, den Fremden zu Herrn Morel zu führen. Cocles ging voraus, und der Fremde folgte. Auf der Treppe begegneten sie einem hübschen jungen Mädchen, das den Fremden voll Unruhe anschaute. Cocles bemerkte diesen Gesichtsausdruck nicht, der jedoch dem Fremden keineswegs entgangen war.
»Herr Morel ist in seinem Kabinett, nicht wahr, Fräulein Julie?« fragte der Kassierer.
»Ja, ich glaube wenigstens«, antwortete das Mädchen zögernd, »sehen Sie nach, Cocles, und wenn mein Vater dort ist, melden Sie den Herrn!«
»Es wäre unnütz, mich zu melden,« erwiderte der Engländer, »Herr Morel kennt meinen Namen nicht. Dieser brave Mann mag ihm nur sagen, ich sei der erste Kommis der Herren Thomson und French in Rom, mit denen das Haus Ihres Herrn Vaters in Verbindung steht.«
Das Mädchen erbleichte und schritt weiter die Treppe hinab, während der Fremde vollends hinaufging. Julie, wie sie der Kassierer genannt hatte, trat in das Büro, wo sich Emanuel aufhielt, und Cocles öffnete mit Hilfe eines Schlüssels eine Tür im zweiten Stock und ließ den Fremden eintreten. Der Fremde fand Herrn Morel erschöpft und bleich an seinem Schreibtische sitzend. Als er den Fremden erblickte, stand er auf und schob einen Stuhl hin; worauf beide Platz nahmen.
Vierzehn Jahre hatten eine gewaltige Veränderung bei dem würdigen Handelsherrn hervorgebracht, der, am Anfang dieser Geschichte sechsunddreißig Jahre alt, nun das fünfzigste erreicht hatte. Seine Haare waren gebleicht, seine Stirn von sorgenvollen Runzeln durchzogen; sein einst so fester, bestimmter Blick war unbestimmt, unentschlossen geworden. Der Engländer schaute ihn aufmerksam und scheinbar teilnahmsvoll an.
Mein Herr, sagte Morel, dessen Unbehaglichkeit dieses Anschauen zu verdoppeln schien, Sie wünschten mich im Namen des Hauses Thomson und French zu sprechen?
Ja, mein Herr. Das Haus Thomson und French soll im Laufe des nächsten Monats in Frankreich 3 bis 400.000 Franken bezahlen, und hat im Vertrauen auf Ihre Zuverlässigkeit alle Papiere angekauft, die es mit Ihrer Unterschrift finden konnte, wobei mir der Auftrag geworden ist, nach Maßgabe des Verfalls die Gelder bei Ihnen zu erheben und sodann zu verwenden.
Morel stieß einen schweren Seufzer aus, fuhr mit der Hand über seine schweißbedeckte Stirn und erwiderte: Sie haben also von mir unterzeichnete Tratten?
Ja, Herr, für eine beträchtliche Summe.
Für welche Summe? fragte Herr Morel mit einer Stimme, der er Sicherheit zu verleihen strebte.
Einmal, sagte der Engländer, ein Päckchen aus der Tasche ziehend, einmal habe ich hier eine Abtretung von 200.000 Franken seitens des Herrn von Boville an unser Haus. Erkennen Sie diese Schuld an?
Ja, mein Herr, das Geld wurde zu 4½ Prozent vor bald fünf Jahren bei mir angelegt.
Und Sie haben den Betrag zurückzuzahlen?
Ja, am 15. des nächsten Monats.
So ist es; dann habe ich hier 32.500 auf Ende dieses; es sind von Ihnen unterzeichnete Wechsel.
Ich erkenne sie an, sagte Herr
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