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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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von Saint-Meran. Dieser wohnte aber in Marseille, folglich war ihm dieses Landhaus unnütz; es hieß auch, er habe es an eine junge Witwe vermietet, die nur unter dem Namen die Baronin bekannt war. Während ich eines Abends über die Mauer schaute, sah ich wirklich eine hübsche junge Frau allein im Garten gehen. Sie blickte häufig nach der kleinen Tür, und ich sagte mir, daß sie Herrn von Villefort am Abend erwarte. Als sie so nahe zu der Mauer kam, daß ich trotz der Dunkelheit ihre Züge zu unterscheiden vermochte, erkannte ich, daß sie sehr hübsch, blond, groß und etwa neunzehn Jahre alt war; auch konnte ich bemerken, daß sie sich in andern Umständen befand, und ihre Schwangerschaft schien mir sogar ziemlich weit vorgerückt. Einige Augenblicke nachher öffnete man die kleine Tür; ein Mann trat ein, die junge Fran lief ihm so rasch als möglich entgegen, sie umarmten sich, küßten sich zärtlich und gingen ins Haus. Dieser Mann war Herr von Villefort. Ich dachte, wenn er herauskäme, besonders wenn er bei Nacht herauskäme, müßte er den Garten in seiner ganzen Länge durchschreiten.
    Und Sie haben seitdem den Namen der Frau erfahren? fragte der Graf.
    Nein, Exzellenz, Sie werden sehen, daß ich nicht Zeit gehabt habe, mich danach zu erkundigen. – Ich hätte den Staatsanwalt vielleicht an diesem Abend töten können; aber ich kannte den Garten noch nicht genau genug und fürchtete, wenn er nicht sofort tot wäre und Leute auf sein Geschrei herbeiliefen, nicht schnell genug fliehen zu können. Deshalb verschob ich die Ausführung meines Vorhabens auf das nächste Mal und bezog, damit mir nichts entginge, ein kleines Zimmer mit der Aussicht auf die Straße, die längs der Gartenmauer hinlief.
    Drei Tage nachher sah ich gegen sieben Uhr abends einen Diener zu Pferde aus dem Garten eilen und im Galopp auf dem Wege fortsprengen, der zur Straße nach Sèvres führte. Ich nahm an, er reite nach Versailles, und täuschte mich nicht. Drei Stunden später kam er mit Staub bedeckt zurück. Zehn Minuten nach ihm erschien ein anderer Mann, in einen Mantel gehüllt, zu Fuß und öffnete die kleine Gartentür, die sich wieder hinter ihm schloß.
    Ich ging rasch hinab. Obschon ich das Gesicht des Mannes nicht gesehen hatte, so verrieten mir doch die Schläge meines Herzens, daß er es sei; ich ging über die Straße zu einem Randstein an der Mauerecke, von dem aus ich das erste Mal in den Garten gesehen hatte. Diesmal begnügte ich mich nicht mit dem Schauen, ich zog mein Messer aus der Tasche, überzeugte mich, daß es gehörig geschärft war, und sprang über die Mauer. Es war mein erstes, an die Tür zu laufen; er hatte den Schlüssel stecken lassen und ihn nur zweimal umgedreht. Nichts konnte also von dieser Seite meine Flucht hemmen. Ich übersah die Örtlichkeit; der Garten bildete ein langes Geviert, mittendurch zog sich ein Rasenteppich, an dessen Rande dichtbelaubte Baumgruppen standen. Um sich von dem Hause an die kleine Tür oder von der kleinen Tür nach dem Hause zu begeben, mußte Herr von Villefort an einer von diesen Baumgruppen vorübergehen.
    Es war Ende September, der Wind blies heftig, ein wenig Mondschein, alle Augenblicke durch dichte Wolken verschleiert, die schnell am Himmel hinglitten, ließ den Sand der zu dem Hause führenden Alleen weiß erscheinen, vermochte aber die Dunkelheit der Gebüsche nicht zu durchdringen. Ich verbarg mich also in dem Gebüsch, an dem Herr von Villefort vorüberkommen mußte. Kaum war ich hier, als ich unter den Windstößen, welche die Baumzweige über meine Stirn beugten, etwas wie Seufzen zu unterscheiden glaubte. Es vergingen zwei Stunden, während deren ich wiederholt dasselbe Seufzen zu hören glaubte. Endlich schlug es Mitternacht.
    Als noch der letzte Schlag verhallte, sah ich einen schwachen Schimmer die Geheimtreppe erhellen, auf der wir soeben herabgekommen sind. – Die Tür öffnete sich, und der Mann mit dem Mantel erschien. Der furchtbare Augenblick war da. Doch ich hatte mich auf diesen Augenblick so lange vorbereitet, daß ich nicht die geringste Schwäche empfand; ich zog mein Messer, öffnete es und hielt mich fertig.
    Der Mann mit dem Mantel kam gerade auf mich zu; als er aber in dem entblößten Raume weiter vorschritt, glaubte ich zu bemerken, daß er in der rechten Hand eine Waffe hielt; ich fürchtete nicht den Kampf, sondern das Mißlingen. Sobald er nur noch einige Schritte von mir entfernt war, erkannte ich, daß das, was ich für eine

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