Der Graf von Monte Christo
seien Lord Wilmore.
Ich bin weder der Abbé Busoni, noch Lord Wilmore, sagte Monte Christo; schaue besser, schaue ferner, schaue in deine ersten Erinnerungen!
In diesen Worten des Grafen lag ein magnetischer Klang, von dem die erschöpften Sinne des Elenden zum letztenmale wiederbelebt wurden. Oh! in der Tat, sagte er, es kommt mir vor, als hätte ich Sie einst gesehen, als hätte ich Sie einst gekannt.
Ja, Caderousse, ja, du hast nach gekannt.
Aber wer sind Sie denn? Und warum lassen Sie mich sterben, wenn Sie mich gekannt haben?
Weil nichts dich retten kann, weil deine Wunden tödlich sind. Wenn du hättest gerettet werden können, so würde ich darin eine letzte Barmherzigkeit des Herrn gesehen haben, und hätte es versucht, das schwöre ich dir bei dem Grabe meines Vaters, dich dem Leben und der Reue zurückzugeben.
Bei dein Grabe deines Vaters! sagte Caderousse, wiederbelebt durch einen letzten Lebensfunken und sich aufrichtend, um den Mann näher anzuschauen, der ihm diesen allen Menschen heiligen Eid geleistet hatte? aber, wer bist du denn?
Der Graf hatte unablässig die Fortschritte des Todeskampfes verfolgt. Er begriff, daß dies das letzte Aufflackern war, näherte sich dem Sterbenden, betrachtete ihn mit einem ruhigen und zugleich traurigen Blicke und sagte ihm in das Ohr: Ich bin ...
Und seine kaum geöffneten Lippen ließen einen Namen durchschlüpfen, der so leise gesprochen wurde, daß es schien, als hätte der Graf selbst Furcht, ihn zu hören.
Caderousse, der sich auf die Knie erhoben hatte, streckte die Arme aus, machte einen Versuch, zurückzuweichen, faltete sodann die Hände, hob sie mit einer äußersten Anstrengung zum Himmel empor und sprach: Oh! mein Gott! mein Gott! vergib mir, daß ich dich verleugnet habe; du bestehst, du bist der Vater der Menschen im Himmel und der Richter der Menschen auf Erden. Mein Gott und Herr, ich habe dich lange Zeit mißkannt! Mein Gott und Herr, vergib mir! Mein Gott und Herr, nimm mich auf!
Und die Augen schließend, fiel Caderousse mit einem letzten Schrei und einem letzten Seufzer zurück. – Er war tot.
Einer ! sagte geheimnisvoll der Graf, die Augen auf den entstellten Leichnam geheftet.
Zehn Minuten nachher kamen der Arzt und der Staatsanwalt und wurden von dem Abbé Busoni, der bei dem Toten betete, empfangen.
Beauchamp.
Vierzehn Tage lang war in Paris nur von diesem verwegenen Diebstahlsversuche die Rede; der Sterbende hatte eine Erklärung unterschrieben, die Benedetto als Mörder bezeichnete.
Caderousses Messer, die Blendlaterne, der Schlüsselbund und die Kleider, ohne die Weste, die man nicht finden konnte, wurden in der Gerichtskanzlei niedergelegt, während man den Leichnam nach der Morgue brachte.
Der Graf antwortete auf alle Fragen, die Begebenheit sei vorgefallen, während er in seinem Hause in Auteuil gewesen, und er wisse nur, was ihm der Abbé Busoni gesagt, der ihn an diesem Abend ganz zufällig gebeten habe, die Nacht bei ihm zubringen zu dürfen, um in einigen Büchern seiner Bibliothek Studien zu machen.
Bertuccio allein erbleichte, so oft der Name Benedetto in seiner Gegenwart ausgesprochen wurde; aber seine Blässe blieb unbeachtet.
Auf den Schauplatz des Verbrechens gerufen, bemächtigte sich Villefort der Angelegenheit und führte die Untersuchung mit dem leidenschaftlichen Eifer, mit dem er in allen Kriminalfällen zu Werke ging. Doch es verliefen drei Wochen, ohne daß die tätigsten Nachforschungen irgend ein Resultat herbeiführten, und man fing an, den Diebstahlsversuch und die Ermordung des Diebes zu vergessen, um sich mit der nahe bevorstehenden Verheiratung des Grafen Andrea Cavalcanti mit Fräulein Danglars zu beschäftigen. Diese Heirat war angekündigt, und der junge Mann wurde im Hause des Bankiers als Bräutigam empfangen.
Man hatte an Herrn Cavalcanti Vater geschrieben, der die Heirat durchaus billigte und, während er sein ganzes Bedauern darüber ausdrückte, daß ihn sein Dienst verhindere, Parma zu verlassen, sich bereit erklärte, das Kapital von hundertundfünfzigtausend Franken Rente zu geben.
Es war verabredet, daß die drei Millionen bei Danglars angelegt werden sollten. Einige Personen versuchten zwar, dem jungen Manne Zweifel über die finanziellen Verhältnisse seines zukünftigen Schwiegervaters einzuflößen, der seit einiger Zeit wiederholte Verluste an der Börse erlitten habe; aber mit einer erhabenen Uneigennützigkeit und einem edlen Vertrauen wies der junge Mann diese
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