Der Graf von Monte Christo
Sie mir sagen, er kann keinen Haß mehr haben, er kann sich nicht mehr rächen, folglich ausgelöscht die ganze Geschichte!
Ich soll also diesen Leuten, die Sie für unwürdige und falsche Freunde erklären, eine für die Treue bestimmte Belohnung geben?
Es ist wahr, Sie haben recht, erwiderte Caderousse. Was wäre überdies für sie jetzt das Legat des armen Edmond? Ein in das Meer fallender Tropfen Wasser.
Abgesehen davon, daß dich diese Leute mit einer Gebärde vernichten können, sagte die Fran.
Wieso? Diese Menschen sind also reich und mächtig geworden?
Sie kennen Ihre Geschichte nicht?
Nein; erzählen Sie!
Caderousse schien einen Augenblick nachzudenken und sprach sodann: Nein, es wäre in der Tat zu lang.
Sie mögen nach Ihrem Belieben schweigen, mein Freund, versetzte der Abbé mit dem Tone der größten Gleichgültigkeit, und ich ehre Ihre Bedenklichkeiten; sprechen wir nicht mehr davon! Womit wurde ich beauftragt? Mit einer einfachen Förmlichkeit. Ich werde also diesen Diamanten verkaufen.
Und er zog den Edelstein aus der Tasche, öffnete das Futteral und ließ ihn abermals vor Caderousses geblendeten Augen glänzen.
Sieh doch, Fran, sagte dieser mit heiserer Stimme.
Ein Diamant? sagte die Carconte, aufstehend und mit ziemlich festem Schritte die Treppe herabsteigend. Was ist's mit diesem Diamanten?
Hast du denn nicht gehört, Frau? Es ist ein Diamant, den uns der Kleine vermacht hat, zuerst seinem Vater, sodann Fernand, Danglars, mir und Mercedes, seiner Braut. Dieser Diamant ist fünfzigtausend Franken wert.
Oh, der schöne Juwel! rief sie.
Also gehört der fünfte Teil dieser Summe uns? fragte Caderousse.
Ja, antwortete der Abbé, nebst dem Teile des Vaters von Dantes, den ich unter euch vier zu verteilen mich berechtigt glaube.
Und warum unter uns vier? fragte Caderousse.
Weil ihr Edmonds vier Freunde seid.
Verräter sind keine Freunde, murmelte dumpf die Frau.
Ja, ja, sagte Caderousse, das sagte ich auch. Es ist eine Entheiligung, ein Frevel, den Verrat, vielleicht das Verbrechen zu belohnen.
Sie wollen es so haben, erwiderte der Abbé und steckte ruhig den Diamanten in die Tasche seiner Soutane. Nun geben Sie mir die Adresse von Edmonds Freunden, damit ich seinen letzten Willen vollstrecken kann.
Der Schweiß floß in schweren Tropfen über Caderousses Stirn; er sah den Abbé aufstehen, sich nach der Tür wenden, als wollte er seinem Pferde einen Blick zuwerfen, und zurückkommen. Caderousse und seine Frau schauten sich mit einem unbeschreiblichen Ausdruck an.
Der Diamant wäre ganz unser! sagte Caderousse.
Glaubst du? erwiderte seine Frau.
Ein Geistlicher wird uns gewiß nicht täuschen wollen.
Tu, was du willst. Ich wenigstens mische mich nicht drein.
Und sie ging fieberschauernd wieder die Treppe hinauf. Ihre Zähne klapperten trotz der Glühhitze. Auf der letzten Stufe blieb sie einen Augenblick stehen und rief: Bedenke wohl, Gaspard.
Ich bin entschlossen, antwortete Caderousse.
Die Carconte ging, einen Seufzer ausstoßend, in ihre Stube zurück; man hörte die Decke unter ihren Tritten krachen, bis sie ihren Lehnstuhl wieder erreicht hatte, in dem sie sich schwerfällig niederließ.
Ich glaube in der Tat, es ist das beste, was Sie tun können, mir alles zu sagen, sagte der Priester; nicht als ob mir viel daran gelegen wäre, die Dinge zu erfahren, die Sie mir verbergen wollen; aber es wird besser sein, wenn Sie mich in den Stand setzen, das Vermächtnis nach dem Willen des Erblassers zu verteilen.
Ich hoffe dies, antwortete Caderousse mit von Hoffnung und Gier geröteten Wangen. Er ging an die Tür seines Wirtshauses, verschloß sie und schob zu größerer Sicherheit den Nachtriegel vor. Mittlerweile hatte der Abbé seinen Platz gewählt, um mit Bequemlichkeit zu hören; er saß so in einer Ecke, daß er im Schatten blieb, während das volle Licht auf Caderousses Gesicht fiel. Das Haupt geneigt, die Hände zusammengelegt oder vielmehr krampfhaft zusammengepreßt, schickte er sich an, mit der größten Aufmerksamkeit auf jedes Wort zu lauschen. Caderousse rückte einen Schemel vor und setzte sich ihm gegenüber.
Vergiß nicht, daß du's gegen meinen Willen tust, sagte die zitternde Stimme der Carconte, als hätte sie durch den Boden die Szene unten sehen können.
Gut, gut! rief Caderousse; genug, ich nehme alles auf mich.
Und er fing an.
Die Erzählung.
Vor allem, Herr, sagte Caderousse, vor allem muß ich Sie bitten, mir zu versprechen, daß Sie, wenn Sie
Weitere Kostenlose Bücher