Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
wo er gewesen war, und dieses Verschwinden gab Anlass zu den unterschiedlichsten Vermutungen – Vermutungen, die der Prinz keineswegs entkräftete, ohne sich jemals eine Erklärung entlocken zu lassen, mochten die Mutmaßungen noch so verwegen sein.
Eines Vormittags kam ein Mann in Ettenheim an, der sich beim Prinzen anmelden lassen wollte. Er hatte den Rhein bei Kehl überquert und war über Offenburg gekommen.
Der Prinz war seit drei Tagen abwesend. Der Mann wartete.
Am fünften Tag kam der Prinz zurück. Der Fremde nannte seinen Namen und die Namen derer, in deren Auftrag er kam; obwohl der Besucher keineswegs darauf bestand, den Prinzen zu sehen, sondern nachdrücklich darum bat, dass der Prinz nach eigenem Gutdünken verfahre, ließ dieser es sich angelegen sein, ihn auf der Stelle zu empfangen.
Der Fremde war kein anderer als Sol de Grisolles.
»Schickt Sie der wackere Cadoudal?«, fragte der Prinz. »In einer englischen Zeitung las ich, dass er London verlassen haben soll, um in Frankreich eine Ehrenkränkung zu rächen, und danach nach London zurückgekehrt sei.«
Cadoudals Adjutant berichtete alles, wie es sich ereignet hatte, ohne Ausschmückungen und ohne Auslassungen, dann erläuterte er dem Prinzen seinen Auftrag, der darin bestanden hatte, dem Ersten Konsul die Vendetta zu erklären und Laurent in Cadoudals Namen aufzufordern, die Compagnons de Jéhu wieder zusammenzurufen, die Cadoudal zerstreut hatte.
»Haben Sie mir vielleicht noch etwas zu sagen?«, fragte der Prinz.
»So ist es, mein Prinz«, sagte der Bote. »Ich habe Ihnen zu sagen, dass ungeachtet des Friedens von Lunéville ein Krieg von ungeahnter Heftigkeit gegen den Ersten Konsul geführt werden wird; Pichegru, der sich mit Majestät Ihrem Vater zuletzt verständigen konnte, beteiligt sich an diesem Krieg mit allem Hass auf die französische Regierung, den ihm sein Exil in Sinnamary eingeflößt hat. Moreau, erzürnt über die laue Aufnahme seines Sieges bei Hohenlinden und erbittert darüber, dass die Rheinarmee und ihre Generäle nicht annähernd gewürdigt werden wie die Heere und Befehlshaber in Italien, wartet nur darauf, seine immense Beliebtheit in den Dienst einer Bewegung zu stellen. Und mehr noch: Es gibt etwas, wovon so gut wie niemand weiß und was ich Ihnen enthüllen soll, Prinz.«
»Und was ist das?«
»In der Armee bildet sich gerade eine Geheimgesellschaft.«
»Die Gesellschaft der Philadelphes.«
»Sie wissen davon?«
»Ich habe davon gehört.«
»Wissen Ihre Majestät, wer der Anführer ist?«
»Oberst Oudet.«
»Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Einmal in Straßburg, ohne dass er wusste, wer ich bin.«
»Welchen Eindruck hat er auf Ihre Majestät gemacht?«
»Er machte mir den Eindruck, ziemlich jung und ziemlich leichtfertig zu sein, wenn man bedenkt, welches gewaltige Unternehmen er sich erträumt hat.«
»Mögen Ihre Majestät sich nicht täuschen«, sagte Sol des Grisolles. »Oudet ist ein Sohn der Berge aus dem Jura, mit allen seelischen und körperlichen Vorzügen des Bergbewohners.«
»Er ist keine fünfundzwanzig Jahre alt.«
»Bonaparte hat den Italienfeldzug mit sechsundzwanzig geführt.«
»Er war zuerst einer der Unseren.«
»Ja, und in der Vendée haben wir ihn erlebt.«
»Er ist zu den Republikanern übergewechselt.«
»Anders gesagt, er war es leid, gegen Franzosen zu kämpfen.«
Der Prinz stieß einen Seufzer aus. »Ach!«, sagte er. »Auch ich bin es leid, so leid!«
»Nie zuvor, sofern Ihre Majestät einem Menschen Glauben schenken wollen, der nicht zu Schmeicheleien neigt, nie zuvor sah man so widerstrebende
und zugleich naturgegebene Fähigkeiten in einem Menschen vereint. Er besitzt die Leichtgläubigkeit eines Kindes und den Mut eines Löwen, die Hingabe eines jungen Mädchens und die Unerschütterlichkeit eines alten Römers. Er ist tatkräftig und unbekümmert, faul und unermüdlich, launisch und starrsinnig, sanftmütig und streng, zartfühlend und schrecklich im Zorn. Ich kann zu seiner Ehre nur eines hinzufügen, mein Prinz: Männer wie Moreau und Malet haben sich ihm als ihrem Anführer unterworfen und sind bereit, ihm zu gehorchen.«
»Die drei Anführer der Gesellschaft sind also?«
»Oudet, Malet und Moreau, genannt Philopoemen, Marius und Fabius. Pichegru wird sich unter dem Namen Themistokles als Vierter hinzugesellen.«
»In dieser Verbindung scheinen sich mir ausgesprochen unvereinbare Elemente zu befinden«, sagte der Prinz.
»Aber wirkmächtige.
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