Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
haben, und wollte erfahren, welches Gift der Gefangene genommen hatte.
Querelle jedoch umschlang den Hals des Arztes, näherte seinen Mund dessen Ohr und flüsterte: »Ich bin nicht vergiftet. Ich habe Angst!«
Da erkannte der Arzt, wie man ihn zum Sprechen bringen konnte.
»Sie wissen um ein Geheimnis«, sagte er, »für das die Polizei viel geben würde; stellen Sie Ihre Bedingungen – wer weiß, ob man Sie nicht begnadigen wird!«
»Oh! Niemals, niemals!«, stöhnte der Verurteilte. »Zu spät.«
Auf Drängen des Arztes verlangte Querelle zuletzt eine Feder und Papier und schrieb an den Gouverneur von Paris, er habe ihm Enthüllungen zu machen.
Gouverneur von Paris war nicht mehr Junot, sondern Murat. Bonaparte fand, Junot sei zu leichtfertig, und hatte ihn durch Murat ablösen lassen.
Gegen elf Uhr abends unterhielt sich der Erste Konsul sorgenvoll und nachdenklich in seinem Kabinett mit Réal. Plötzlich wurde die Tür geöffnet, Savary kündigte den Gouverneur von Paris an, und Murat erschien.
»Ah, Murat, Sie sind es«, sagte Bonaparte und trat seinem Schwager ein paar Schritte entgegen. »Sie müssen gewichtige Neuigkeiten haben, wenn Sie mich zu so später Stunde aufsuchen.«
»Ja, General; ich habe soeben den Brief eines armen Teufels erhalten, der zum Tode verurteilt ist und morgen früh hingerichtet werden soll. Er bietet uns Enthüllungen an.«
»Und?«, sagte Bonaparte gleichgültig. »Leiten Sie den Brief an den Richter weiter, der ihn abgeurteilt hat, der soll sich damit befassen.«
»Ich gedachte«, sagte Murat, »so zu verfahren, doch der Brief ist von einer solchen Offenheit und Ehrlichkeit, dass er mein Interesse geweckt hat. Lesen Sie selbst.«
Bonaparte las den Brief, den Murat ihm entrollt hinhielt.
»Armer Teufel! Er will eine Stunde Leben herausschlagen, weiter nichts. Tun Sie, wie Ihnen geboten.«
Und er reichte ihm den Brief zurück.
»Aber General«, beharrte Murat, »haben Sie denn nicht gesehen, was dieser Mann steif und fest behauptet?«
»O doch, das habe ich sehr wohl gesehen; aber solche Behauptungen bin ich gewohnt, und ich sage Ihnen noch einmal, dass der Verurteilte uns nichts mitzuteilen hat, was einen Aufschub rechtfertigen würde.«
»Wer weiß?«, sagte Murat. »Überlassen Sie mir und Monsieur Réal diese Sache.«
»Wenn Sie unbedingt darauf bestehen«, lenkte Bonaparte ein, »dann tun Sie, was Sie für richtig halten. Réal, Sie werden ihn vernehmen. Murat,
Sie begleiten den Oberrichter, wenn Sie wollen, aber keinen Aufschub, haben Sie verstanden, ich gestatte keinen Aufschub.«
Réal und Murat zogen sich zurück. Bonaparte ging in sein Schlafzimmer.
32
Die Polizei des Citoyen Régnier und die Polizei des Citoyen Fouché
Es war nach Mitternacht, als Réal und Murat den Tuilerienpalast verließen. Der Verurteilte sollte erst um sieben Uhr morgens füsiliert werden. Um ihn aufzusuchen, hatte Murat eine prunkvolle Abendgesellschaft verlassen müssen, die er zufällig an diesem Abend gab und bei der sich zu zeigen er nicht umhinkonnte. Er überließ es daher Réal, den Gefangenen aufzusuchen; seine Aufgabe hatte er erfüllt, er hatte den Ersten Konsul informiert, und der Erste Konsul hatte die Sache demjenigen übergeben, den sie von Rechts wegen betraf, nämlich dem Oberrichter.
Réal dachte sich, es werde genügen, den Gefangenen zwei Stunden vor der Hinrichtung zu besuchen; sollten die Enthüllungen einen Aufschub geraten sein lassen, wäre dafür immer noch genug Zeit; wären sie wertlos, würde die Hinrichtung ihren Verlauf nehmen.
Als jemand, der es gewohnt war, die Eindrücke und Empfindungen anderer zu beeinflussen, dachte er sich zudem, dass der Anblick des militärischen Gepränges, das mit Anbruch des Tageslichts um das Gefängnis herum entfaltet werden würde, dem Mut des Gefangenen den Todesstoß versetzen und den Bedauernswerten zu einem lückenlosen Geständnis bewegen musste.
Bedenkt man die Verfassung des unglücklichen Verschwörers, als dieser Murat durch den Arzt ausrichten ließ, er habe ihm Enthüllungen zu machen, wird man verstehen, dass dieser Zustand sich zwangsläufig verschlechtert hatte, als keine Antwort erfolgt war, der Gouverneur von Paris nicht von sich hatte hören lassen.
In seiner völligen Verzweiflung war der Bedauernswerte zu einem Geschöpf geworden, das kraftlos, zu jeder Regung unfähig, wie ein Kind den Tod erwartete, seinen Todesängsten und -qualen ausgeliefert. Die Augen
auf das Fenster gerichtet, aus dem
Weitere Kostenlose Bücher