Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
»Ich spüre, wie etwas sich in meiner Brust hebt.« Und bei diesen Worten legte er die Hand auf die Stelle, die er meinte.
»Gott sei gedankt«, flüsterte er, »ich habe meine Pflicht getan.«
Der Arzt konnte dem Admiral keine Erleichterung mehr verschaffen und kümmerte sich um andere Verwundete; doch Kapitän Hardy kam
wieder, nachdem er Leutnant Hill mit der schrecklichen Nachricht zu Collingwood geschickt hatte, bevor er zum zweiten Mal das Deck verließ.
Hardy beglückwünschte Nelson zu dem unzweifelhaften und entscheidenden Sieg, den er im Angesicht des Todes davongetragen hatte. Er sagte ihm, soweit er es beurteilen könne, befänden sich mittlerweile fünfzehn französische Schiffe in englischer Gewalt.
»Ich hätte darauf gewettet, dass es zwanzig wären«, murmelte Nelson, doch dann entsann er sich der Windverhältnisse und der Vorboten des Sturms, die er auf dem Meer beobachtet hatte, und er rief: »Lassen Sie Anker werfen, Hardy! Lassen Sie ankern!«
»Ich nehme an«, sagte der Flaggkapitan, »dass Admiral Collingwood das Kommando über die Flotte übernehmen wird.«
»Nicht solange ich lebe«, sagte der Sterbende und stützte sich auf den Ellbogen. »Hardy, ich befehle Ihnen, Anker zu werfen, ich verlange es.«
»Ich werde es befehlen, Mylord.«
»Tun Sie es, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, so schnell wie möglich«, und dann flüsterte er, als schämte er sich dieser Schwäche: »Hardy, Sie werden meinen Leichnam nicht ins Meer werfen lassen, nicht wahr?«
»O nein, gewiss nicht, das dürfen Sie mir glauben, Mylord«, erwiderte Hardy schluchzend.
»Kümmern Sie sich um die arme Lady Hamilton«, sagte Nelson mit schwacher Stimme, »meine geliebte Lady Hamilton. Küssen Sie mich, Hardy!«
Der Kapitän küsste ihn weinend auf die Wange.
»Ich sterbe zufrieden«, sagte Nelson, »England ist gerettet.«
Kapitän Hardy verharrte einen Augenblick lang neben dem berühmten Verwundeten in schweigender Kontemplation; dann kniete er nieder und küsste ihn auf die Stirn.
»Wer küsst mich da?«, fragte Nelson, dessen Blick bereits vom Schatten des Todes umflort war.
Der Kapitän antwortete: »Ich bin es, Hardy!«
»Gott behüte Sie, mein Freund!«, sagte der Sterbende.
Hardy ging an Deck zurück.
Nelson sah den Schiffskaplan an seiner Seite und sagte zu ihm: »Ach, Doktor, ich war nie ein verstockter Sünder«, und nach einer Pause sprach er weiter: »Doktor, ich bitte Sie inständig, erinnern Sie sich, dass ich meinem Vaterland und meinem König die Sorge für Lady Hamilton und meine Tochter Horatia als Vermächtnis hinterlasse. Vergessen Sie Horatia nie.«
Sein Durst wurde immer stärker. Er rief: »Trinken... trinken... Fächer... fächern Sie mir... reiben Sie mich.«
Die letzten Worte richtete er an den Schiffskaplan Mr. Scott, der ihm etwas Erleichterung verschafft hatte, indem er ihm mit der Hand die Brust rieb, doch seine Stimme versagte immer wieder, als seine Schmerzen stärker wurden, und zuletzt musste er alle Kraft zusammennehmen, um ein letztes Mal zu sagen: »Dem Herrn sei Dank, ich habe meine Pflicht getan.«
Nelson hatte seine letzten Worte gesprochen.
Der Wundarzt kam zurück, denn Nelsons Butler hatte ihn aufgesucht und ihm gesagt, dass sein Herr im Begriff stehe, den Geist auszuhauchen. Mister Beatty ergriff die Hand des Sterbenden: sie war kalt; er fühlte seinen Puls: er war nicht zu spüren; zuletzt berührte er seine Stirn, und Nelson öffnete sein gesundes Auge und schloss es wieder.
Nelson hatte den letzten Atemzug getan; es war vier Uhr und zwanzig Minuten nachmittags; er hatte seine Verwundung drei Stunden und zweiunddreißig Minuten überlebt.
Es mag verwundern, mit welcher Genauigkeit ich den Tod Nelsons dokumentiere, doch es erschien mir nur recht und billig, einen der größten Feldherrn der Geschichte, wenn nicht als Historiker, so doch wenigstens als Romancier bis zum Grab zu begleiten. Die Einzelheiten habe ich in keinem Buch gefunden. Ich habe mir das Protokoll seines Todes verschafft, das der Wundarzt der Victory , Mister Beatty, und der Schiffskaplan Scott unterzeichnet haben.
94
Der Sturm
Vielleicht war Nelsons Tod der Schlusspunkt der Schlacht von Trafalgar, doch wir fänden es allzu ungerecht, die Namen so vieler Tapferer unerwähnt zu lassen, die alles für ihr Vaterland gaben, indem sie starben wie er.
Wir verließen einen verzweifelten Villeneuve auf dem zerstörten Deck der Bucentaure , ohne ein einziges seetüchtiges Boot, das ihn zu einem
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