Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
vorbeiwanderte, ohne sie zu hören oder zu sehen?
Diese Welt war die Welt all dessen, was es in Rom an Schönheit, Eleganz, Reichtum und Aristokratie gab. Die Via Appia war das Longchamp der Antike, doch dieses Longchamp dauerte nicht drei Tage, sondern das ganze Jahr.
Gegen vier Uhr nachmittags, wenn die größte Hitze vorbei war, wenn die Sonne sich weniger glühend und weniger strahlend dem tyrrhenischen Meer entgegensenkte, wenn der Schatten der Pinien, der grünen Kastanien und der Palmen sich von Westen nach Osten verlängerte, wenn der sizilianische Oleander den Staub des Tages abschüttelte, sobald der erste Windhauch von den bläulichen Bergketten herabwehte, die der Tempel des Jupiter Latiaris überragt, wenn die indische Magnolie ihre elfenbeinfarbenen Blüten wieder öffnete, geformt wie duftende Schalen zum Auffangen des abendlichen Taus, wenn die Nixenblume des Kaspischen Meeres, die sich vor der Hitze des Zenits in den feuchten Schoß des Sees geflüchtet hatte, an die Wasseroberfläche zurückstieg, um mit der ganzen ausgebreiteten Fläche ihres Blütenkelchs die nächtliche Frische zu atmen – dann kam aus der Porta Appia, was man als Speerspitze der Stutzer, der trossuli , der kleinen Trojaner Roms bezeichnen kann, und die Bewohner der Vorstadt Appia kamen aus ihren Häusern, rissen alle Fenster und Türen auf, um Luft zu schöpfen, setzten sich auf Stühle oder Sessel, die aus dem Atrium herbeigetragen wurden, stützten sich auf die Prellsteine, die den
Reitern zum Aufsitzen dienten, oder lehnten sich auf den runden Bänken zurück, die man zur größeren Bequemlichkeit der Lebenden an die Wohnungen der Toten angelehnt hatte, und machten sich daran, die Vorübergehenden kritisch zu mustern.
Weder die Pariser, die sich in zwei Spalieren an den Champs-Élysées drängten, noch die Florentiner, die zum Cascine-Park eilten, die Wiener, die den Prater stürmten, oder die Neapolitaner, die sich zu Pfropfen in der Via Toledo und in der Via Chiaia ballten, hatten jemals eine solche Vielfalt an Darstellern und einen solchen Wetteifer unter den Zuschauern erlebt!
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Was sich fünfzig Jahre vor Christus auf der Via Appia abspielte
Zuerst kamen die Reiter auf ihren numidischen Pferden, welch Letztere die Vorfahren der Reittiere der Kavaliere unserer Tage sind; diese Pferde ohne Sattel und ohne Steigbügel waren mit goldgewirkten Schabracken oder solchen aus Tigerfell geschmückt; die einen Reiter halten an, um den Zug vorbeiziehen zu sehen, die anderen reiten im Schritt weiter, und ihnen gehen Läufer in kurzer Tunika voraus, in leichtem Schuhwerk, den Umhang über die linke Schulter geworfen und mit einem Ledergürtel um die Taille, den sie je nach Erfordernis enger oder lockerer schnüren, je nachdem ob sie schneller oder weniger schnell laufen müssen; andere schließlich rasen in wenigen Minuten die ganze Strecke der Via Appia entlang, als wollten sie einen Preis erringen, und lassen vor ihren Pferden prachtvolle Jagdhunde mit silbernem Halsband rennen. Wehe dem, der diesem Wirbelsturm in den Weg gerät! Wehe dem, der sich von dieser Windhose aus Gewieher, Gebell und Staub einfangen lässt! Den einen beißen die Hunde und zertrampeln die Pferde, den anderen trägt man blutig und zerschmettert fort, indes der junge Patrizier, der über ihn hinweggeritten ist, sich kurz umdreht, ohne innezuhalten, laut lacht und prahlerisch seine Geschicklichkeit zur Schau stellt, indem er das Ziel, dem er entgegenreitet, nicht aus den Augen verliert.
Nach den numidischen Pferden kommen die leichten Gefährte, die es
an Geschwindigkeit beinahe mit den Wüstensöhnen aufnehmen könnten, deren Rasse fast zur gleichen Zeit wie Jugurtha nach Rom gebracht wurde: Es sind die cisii , luftige Fuhrwerke, gewissermaßen Tilburys, von drei fächerförmig angeschirrten Mauleseln gezogen, deren linkes und rechtes Zugtier galoppieren und ihre Silberglöckchen schütteln, während das mittlere mit der Unbeirrbarkeit, fast könnte man sagen: mit der Schnelligkeit eines Pfeils vorantrottet. Nach ihnen kommen die carrucae , höhere Kutschen, als deren Variante oder eher Nachfahren man den corricolo unserer Tage betrachten darf, und sie werden meist nicht von den Stutzern selbst gelenkt, sondern von einem nubischen Sklaven in der pittoresken Kleidung seines Heimatlandes.
Nach den cisii und den carrucae folgen die vierrädrigen Gefährte, die rhedae voller purpurfarbener Kissen und üppiger Teppiche, die über die Wagenschläge
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