Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
hätten, dann wird Ihre Güte nichts als Schwäche sein und Frankreich Schaden zufügen.
Sie sind zu gutmütig!
In der Tat war Joseph, wie bereits ausgeführt, von großer Güte; und er war keine vier Jahre lang König von Neapel, sondern nur zwei Jahre.
Kaum war Saliceti dem König angemeldet worden, wurde er mitsamt seinem Schützling vorgelassen.
Manhès, der seinem Reisegefährten nichts davon gesagt hatte, dass er bei der Audienz anwesend sein werde, stand neben König Joseph.
»Monsieur«, sagte Joseph zu Graf Leo, nachdem er die Komplimente Salicetis und Leos ehrerbietige Verbeugung erwidert hatte, »gestern erfuhr
ich durch Ihren Reisegefährten Manhès, Ordonnanzoffizier bei meinem Schwager Murat, wie Sie mit den sechs Briganten verfahren sind, die Sie in den Pontinischen Sümpfen überfallen wollten. Zu dieser Tat kann ich Ihnen nur gratulieren; doch abends erfuhr ich von Saliceti, dem Sie offenbar durch einen engen Freund empfohlen wurden, dass Sie hergekommen sind, um in der Armee zu dienen. Für diesen Entschluss schulde ich Ihnen mehr als Glückwünsche, ich schulde Ihnen Dankesworte.«
»Sire«, erwiderte Graf Leo, »seine Exzellenz der Minister hat Ihnen sicherlich gesagt, dass es mir nicht um eine militärische Karriere zu tun ist; was Sie mir geben, genügt mir, sei es noch so gering. Ob Sie mich zum einfachen Soldaten oder zum Offizier machen, sobald ich das Gewehr oder den Degen in der Hand habe, wird es an mir sein, mich Ihrer Gunst würdig zu erweisen, und ich werde mein Bestes tun.«
»Monsieur«, ergriff der König das Wort, »Saliceti sagte mir, Sie hätten in der Marine gedient.«
»Ich war Korsar, Sire, im Dienst eines der berühmtesten Korsaren unseres Landes, des Malouins Surcouf.«
»Ich habe auch gehört, Sie seien bei Trafalgar zugegen gewesen. Wie kamen Sie dorthin, wenn Sie an Bord eines Kaperschiffs dienten?«
»Da ich wusste, dass eine große Seeschlacht bevorstand, habe ich meine Dienste Kapitän Lucas, dem Kommandanten, angeboten, dem General Decaen, der Gouverneur der Île de France, mich ebenso warm empfohlen hat wie mein verehrter Patron Surcouf, woraufhin Kommandant Lucas mir an Bord seiner Redoutable die Stelle des dritten Leutnants geben konnte, die gerade nicht besetzt war.«
»Und an Bord der Redoutable haben Sie laut Saliceti nicht nur wie ein Löwe gekämpft, sondern es gilt sogar als äußerst wahrscheinlich, dass Sie der Schütze sind, dessen Kugel Nelson getötet hat.«
»Damit habe ich mich nie gebrüstet, Majestät: zum einen, weil ich es nicht mit Gewissheit sagen könnte, und zum anderen, weil Nelson ein so großer Feldherr war, dass ich mich fast schämen müsste, mich seines Todes zu rühmen.«
»Und haben Sie Kapitän Lucas nicht nach Ihrer Rückkehr aus dem englischen Gefängnis wiedergesehen?«
»So ist, Majestät.«
»Hat Kommandant Lucas Sie nicht meinem Bruder gegenüber erwähnt?«
»Diese Ehre hat er mir erwiesen.«
»Und mein Bruder hat Ihnen nicht nur keinerlei Belohnung zuerkannt, sondern Sie nicht einmal in Ihrem Rang bestätigt?«
»Sire, wollte ich darauf antworten, müsste ich entweder mich oder Ihren Bruder kompromittieren. Wenn Sie zu befehlen geruhen, dass ich mich selbst kompromittiere …«
»Nein! Genug«, sagte König Joseph und berührte lächelnd Graf Leos Schulter, »all diese Dinge werden Sie mit Saliceti besprechen, den ich zum Kriegsminister ernannt habe; in dieser Eigenschaft wird er alles für Sie tun, was Sie wünschen.« Und mit einem Nicken zum Abschied: »Wenn Sie mit ihm nicht zufrieden sind, kommen Sie zu mir und sagen Sie es.«
»Ich beklage mich nie«, erwiderte René.
»Apropos«, sagte Joseph und hielt ihn zurück, denn René wollte den Raum verlassen, nachdem die Audienz beendet war, »ich weiß, dass Sie ein großer Jäger sind; mit Jagdpartien wie in Indien, wo es Tiger und Panther zu erlegen gibt, kann ich nicht aufwarten, aber in den Wäldern von Asproni gibt es viele Wildschweine, und wenn Ihnen ein so bescheidenes Wild nicht zu harmlos ist, wird Saliceti Ihnen so viele Jagdausflüge ermöglichen, wie Sie nur wünschen können.«
René verneigte sich zum Dank und verließ den Raum.
Manhès blieb zurück, bedeutete seinem Freund aber mit dem Blick und mit einer Handbewegung, dass er ihm folgen werde.
Manhès blieb, weil er erfahren wollte, welchen Eindruck sein Kamerad auf König Joseph gemacht hatte; seine fröhliche Miene, als er sich zu René gesellte, verriet, dass der Eindruck ganz
Weitere Kostenlose Bücher