Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
die acht oder neun Bände der Briefe, die Napoleon und Joseph wechselten und in denen Joseph stets Sire und Eure Majestät schreibt, während Napoleon ausnahmslos mit Mein Bruder antwortet.
Viele dieser Briefe sind Ratschläge, einige sind Befehle, und es ist befremdlich zu sehen, dass Napoleon, der nie einen Fuß nach Neapel gesetzt
hatte, das Königreich Neapel sowohl topographisch als auch moralisch besser zu kennen scheint als Joseph, der sich an Ort und Stelle befindet; Napoleons Ermahnungen betreffen in erster Linie Josephs allzu große Gutherzigkeit; Napoleon will kein Wanken in der Festigkeit des Königs, er will auf keinen Fall Gnade für die Banditen und ebenso wenig für jene, die sie unterstützen, ob Zivilisten oder Priester.
So kam es, dass der Marquis von Rodio, von Ferdinand und Caroline mit diesem Titel versehen, der unter Josephs Herrschaft den Partisanenkrieg fortgesetzt hatte, in Apulien bewaffnet ergriffen wurde; vor ein Kriegsgericht gebracht, behauptete er, er hätte sich als Kriegsgefangener ergeben, und wurde freigesprochen. Doch auf höheren Befehl wurde ein zweites Gericht einberufen, das ihn verurteilte. Der König war abwesend. Saliceti ließ den Marquis füsilieren.
Da Joseph bedauert hatte, dass ihm keine Möglichkeit geblieben war, Gnade walten zu lassen, schrieb ihm Napoleon anlässlich dieses Verfahrens einen langen Brief, dem wir folgende Passage entnehmen:
Wenn Sie die Neapolitaner unbedingt mit den Korsen vergleichen wollen, dann vergessen Sie nicht, dass bei der Eroberung des Niolo vierzig Rebellen an den Bäumen aufgehängt wurden und dass ein solches Schreckensregime herrschte, dass niemand sich mehr zu rühren wagte. Piacenza hatte bei meiner Rückkehr von der Grande Armée aufbegehrt, und ich hatte Junot hingeschickt, der vorzugeben versuchte, es handelte sich nicht um einen Aufstand, und mich mit französischem Geschwätz beruhigen wollte; ich befahl ihm, zwei Dörfer niederzubrennen und die Anführer des Aufstands zu erschießen, unter denen sich sechs Priester befanden. Das geschah, Ruhe kehrte ein und wurde bis heute bewahrt.
Sie sehen selbst, welchen Schrecken die Königin verbreitet; ich will Ihnen nicht raten, ihrem Beispiel zu folgen, doch es steht außer Frage, dass sie mächtig ist. Wenn Sie Tatkraft und Energie beweisen, werden weder die Kalabresen noch sonstwer auf dreißig Jahre hin aufmucken.
Ich beende meinen Brief, wie ich ihn begonnen habe. Als König von Neapel und Sizilien werden Sie drei oder vier Jahre Frieden genießen. Wenn Sie als Faulenzer herrschen wollen, wenn Sie nicht mit fester und entschlossener Hand regieren wollen, wenn Sie auf die Meinung des Volkes hören wollen, das nie weiß, was es will, wenn Sie es nicht fertigbringen, die Missstände und das althergebrachte Unrecht abzuschaffen,
die Ihnen nur Steine in den Weg legen, und wenn Sie nicht Steuern erheben, die Ihnen erlauben, Franzosen, Korsen, Schweizer und Neapolitaner in Dienst zu nehmen und Schiffe auszurüsten, dann werden Sie tatenlos gewesen sein, und in vier Jahren werden Sie mir nicht etwa von Nutzen sein, sondern mir schaden, denn Sie werden mich meiner Mittel berauben. Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen sage: Die Zukunft Ihres Königreichs hängt von Ihrem Auftreten nach Ihrer Rückkehr aus Kalabrien ab. Geben Sie keinen Pardon. Lassen Sie mindestens sechshundert Aufständische über die Klinge springen. Sie haben wesentlich mehr meiner Soldaten ermordet. Lassen Sie die Häuser von dreißig Großbauern abbrennen und ihren Besitz an die Armee verteilen. Lassen Sie alle Dorfbewohner entwaffnen, und geben Sie fünf oder sechs jener größeren Dörfer zum Plündern frei, die besonders unbotmäßig waren.
Wenn Kalabrien sich aufgelehnt hat, was verbietet Ihnen dann, die Hälfte des Besitzes dieses Landes zu nehmen und an die Armee zu verteilen? Es wäre eine Einnahmequelle, die Ihnen einerseits von großem Nutzen wäre und andererseits als abschreckendes Beispiel für die Zukunft dienen würde. Mit Weichheit und Nachgiebigkeit wurde noch kein Staat verändert und reformiert; so etwas erfordert außerordentliche Maßnahmen und Tatkraft. Da die Kalabresen meine Soldaten gemeuchelt haben, werde ich persönlich das Dekret erlassen, mit dem ich zugunsten meiner Armee die Hälfte der Erträge ihres Landes beschlagnahme; wenn Sie sich jedoch partout in den Kopf setzen wollen, dass sie sich nicht aufgelehnt hätten und Ihnen nie andere als freundschaftliche Gefühle entgegengebracht
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