Der Greif
bißchen
erleichtert zu hören, daß er sich absichtlich so verhalten hatte. »Du hast praktisch einen Kopfstand vollführt. Gibt es keinen einfacheren Weg, den Hals frei zu bekommen? Wo
ist deine Flasche? Hier, nimm einen Schluck aus meiner.«
Kaum hatte ich das gesagt, da wand er sich von mir los und stieß einen gurgelnden Ton aus, als ob er wieder mit dem Geheul anfangen wollte. Sein Körper krümmte sich,
und nur mit offensichtlicher Anstrengung konnte er die Beherrschung über sich zurückgewinnen.
»Bitte... ne, Junge... quäle mich nicht.«
»Ich will dir doch nur helfen, Fräuja«, sagte ich und hielt meine Flasche an seinen Mund. »Ein Schluck Wasser wird...
«
»Arghrghrgh!« würgte er und kämpfte gegen den
einsetzenden Krampf. Es gelang ihm, meine Hand
wegzuschlagen. Als er wieder sprechen konnte, knurrte er grimmig: »Was immer du tust... bleib weg... von meinem Mund... meinen Zähnen... «
Ich setzte mich auf meine Fersen und betrachtete ihn
besorgt. »Was ist los? Andraias hat mir gesagt, du hättest seit einigen Tagen nichts gegessen, und seit gestern weder Speis noch Trank zu dir genommen. Jetzt weigerst du dich sogar, einen Schluck frisches Was... «
»Nicht dieses Wort!« flehte er und zuckte zusammen, als ob ich ihn geschlagen hätte. »Hab Erbarmen, Junge. Gib mir ein Fell und entfache ein Feuer. Es wird so früh dunkel und mir ist kalt.«
Verwundert betrachtete ich die hoch am Himmel stehende Son-Besorgt, aber gehorsam zog ich sein Schlaffell hinter dem Sattel hervor, half ihm, sich einzuwickeln. Dann
sammelte ich trockenes Moos, Zweige und vom Wind
abgebrochene Äste und machte neben ihm ein Feuer.
Schon nach kurzer Zeit war Wyrd fest eingeschlafen. Ich hoffte, dies sei ein gutes Zeichen, und stahl mich davon.
Ich stieg den Berg wieder hinauf zu Velox. Gerade als ich dabei war, ihn loszubinden, hörte ich wieder den schrillen, knackenden Ruf des Auths-Hanas. Jedes Lebewesen in der Gegend außer mir hatte offenbar gespürt, daß da kein
echter Wolf geheult hatte, so daß keines die Flucht ergriffen hatte. Also legte ich einen Pfeil auf die Sehne und machte mich auf in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Ich folgte Wyrds Anweisungen und wartete immer wieder
geduldig ab, bis der Auths-Hana schrie, rannte dann von einer Deckung zur nächsten - einem Baum, einem Fels - und hielt mich da versteckt, solange der Vogel schwieg.
Schließlich erblickte ich ihn in einiger Entfernung auf dem untersten Ast einer Tanne.
Noch einmal wartete ich, bis der Vogel, seinen Kopf
hochreckend und einen Kranz strahlender Schwanzfedern
entfaltend, seinen betäubenden Schrei ausstieß, und
huschte zu einer besser gelegenen Stelle. Ich wollte ganz sicher gehen, ihn zu erwischen, denn falls der Vogel wirklich so gut schmeckte wie Wyrd behauptete, dann würde er
vielleicht versucht sein, davon zu essen. Mein Pfeil traf den Auths-Hana so glatt, daß er mitten in seinem nächsten
Schrei verstummte und mit einem Plumps am Fuß der
Tanne auf den Boden fiel.
Ich verschwendete keine Zeit damit, die Schönheit des
Vogels zu bewundern, sondern rupfte seine imposante
Federpracht, bevor die Totenstarre die Federn festhalten würde. Dann schlug ich den Kopf und die Füße ab, nahm ihn aus und rieb ihn mit Schnee aus. Als ich am Lagerfeuer ankam, schlief Wyrd noch immer. Ich begnügte mich also zunächst damit, die Stoppelfedern von der Haut des Vogels abzusengen, und erst, als die Sonne unterging, spießte ich ihn auf und briet ihn langsam über dem Feuer.
Wartend saß ich da, legte ab und zu Holz nach, drehte
den Spieß eine Vierteldrehung weiter und lauschte auf
Wyrds eintöniges Schnarchen, während um uns herum die
Nacht einbrach. Ich muß vor lauter Langeweile und
Nichtstun eingedöst sein, aber plötzlich schreckte ich hoch, denn das Schnarchen hatte aufgehört. Der aufgespießte
Vogel brutzelte lustig vor sich hin, aber hinter ihm, jenseits des Feuers, glühten zwei gelbe Wolfsaugen in der
Dunkelheit. Noch bevor ich aufspringen konnte, hörte ich Wyrds Stimme, und mir wurde klar, daß es seine Augen
waren.
»Duftet der Auths-Hana nicht köstlich? Iß, Junge, bevor das Fleisch verkohlt.«
Niemals zuvor hatte ich Wyrds Augen so in der Dunkelheit leuchten sehen. Aber ich sagte lediglich: »Es ist genug da, um vier Münder zu stopfen. Ich schneide dir ein Stück ab.«
»Ne, ich könnte es doch nicht schlucken. Aber vielleicht sollte ich einen Schluck Wasser nehmen. Aus
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