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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Rede war zerhackt und oft so heiser, daß ich ihn kaum verstehen konnte. Aber die wenigen zusammenhängenden Sätze, die ich
    aufschnappte, klangen wehmütig. Seine Worte waren sanft und bewegt, nicht von der Art, die ein hartgesottener
    Waldläufer normalerweise in den Mund nahm.
    »Und sollte ich nie mehr meinen Fuß nach Cornovia
    setzen..., dann wird Cornovia überall dort sein, wo ich jemals war...«
    »Vor langer Zeit... in dem Tal, wo sich die vier Pfade treffen... traf ich auch dich...«
    »Sie war edel und ihre Stimme sanft...«
    »Wir waren jung damals... und vergnügten uns in den
    Tanzgründen der Dämmerung...«
    Einmal, als ihn wieder ein Anfall in den Fängen hielt, versuchte ich sein Leiden zu lindern, indem ich eine Stütze unter seinen hochgebogenen Rücken schob. Aus meinem
    Schlaffell, in das ich verschiedene Gegenstände wickelte, formte ich eine Art Kissen. Aber als ich mich ihm näherte und das Fell unter seinen Rücken schieben wollte,
    schnappte Wyrd wolfsgleich und ohne Vorwarnung nach mir.
    Sein Krampf hatte nicht im geringsten nachgelassen, und nach wie vor trommelten seine Fäuste auf den Boden. Er hatte nur lange genug aufgehört zu heulen, um sich nach mir umzudrehen und zuzuschnappen. Sein Biß verfehlte meinen Oberarm nur um Haaresbreite, seine Zähne schlugen so
    heftig aufeinander, daß ich dachte, sie würden zersplittern.
    Hätte er mich erwischt, dann hätte r meine Tunika sicherlich glatt durchbissen und ein großes Stück Fleisch aus meinem Arm gerissen. So aber hatte er nur seinen Speichel auf meinem Gewand verspritzt. Während er sich unter
    schrecklichen Krämpfen wand und keine Anstalten mehr
    unternahm, mich zu beißen, wischte ich mit ein paar Blättern und etwas Wasser aus meiner Flasche den tödlichen
    Speichel weg. Von da ab hielt ich mich in sicherer
    Entfernung von ihm.
    Als der Anfall endlich nachließ und Wyrd
    zusammensackte, schien ihn der ungewohnte Druck des
    unter seinem Rücken liegenden Kissens wieder zu
    Bewußtsein, wieder zurück in die Gegenwart zu bringen.
    Denn nachdem er wieder bei Atem war, sprach er nicht mehr von längst vergangenen Tagen. Er blickte angestrengt in den Himmel hinauf, dann wandte er seinen Blick in meine Richtung, hustete kräftig und spuckte einen Fladen eitrigen Speichels aus. Dann fragte er heiser: »Wie spät in der Nacht ist es?«
    »Es ist Tag, Fräuja«, sagte ich unglücklich, »spät am
    Nachmittag. «
    »Ach, dann war ich sehr lange weg. Habe ich dich sehr
    erschreckt, Junge?«
    »Nur als du nach mir gebissen hast.«
    »Was?« Er warf seinen Kopf zu mir herum, als wollte er mich nochmals beißen. »Bist du verletzt?«
    »Ne«, sagte ich leichthin, »dieses eine Mal hast du dein Ziel verpaßt.«
    »Bei Bonus Eventus, dem Gott der glücklichen Fügungen, mir fällt ein Stein vom Herzen.« Er blickte sich um und schleppte sich dann mit übermenschlicher Anstrengung zu einem in der Nähe hegenden Baumstamm, gegen den er
    sich lehnte. Als er wieder normal atmen konnte, sagte er:
    »Junge, ich will, daß du mir zweimal zu Gefallen bist. Zuerst nimm die Seile von unserem Gepäck und fessle mich an
    diesen Baumstamm.«
    »Was sagst du? Du bist wirr im Kopf. Niemals werde
    ich...«
    "Tu, Schüler, was dein Meister dir befiehlt. Und tu es, solange er noch bei Sinnen ist. Schnell!« Ich fragte mich, ob er wirklich noch bei Sinnen war, aber gehorchte doch. Als ich ihn an den Baum band, fügte er hinzu: »Laß meine Arme frei. Nur mein Mund ist gefährlich. Und wir dürfen nicht zulassen, daß ich in meinem Wahn irgend jemanden, der
    hier vorbeikommt, beiße.«
    »Niemand wird kommen«, sagte ich. »Livia hat mir erzählt, daß dieser Teil des Dachsteins menschenleer ist.«
    »Auch den Tieren des Waldes darf ich nicht zur Plage
    werden. Noch mehr als die meisten Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, verdienen sie es, vor dem
    Fluch, mit dem ich geschlagen bin, verschont zu werden.
    Jesus, Junge, fester! Und sorg' dafür, daß die Knoten halten.
    Als nächstes will ich, daß du beide Pferde mit dir nimmst, denn es gibt kein... kein...«
    Ich wollte ihm helfen und brachte den Satz zu Ende: »Kein Grünzeug und kein Wasser...«
    Er heulte auf und zerrte mit solcher Gewalt an den Seilen, daß ich froh war, ihn bereits gefesselt zu haben. Noch einmal nahm er alle seine Kräfte zusammen und kämpfte um Selbstbeherrschung. Mit äußerster Anstrengung stieß er hervor: »Im Namen aller Götter... erspare mir dieses Wort.
    Ich darf

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