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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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»Die Ansprüche und Streitereien innerhalb des Imperiums mögen im Augenblick zwar nur brodeln, aber sie können jeden Moment überkochen, und dann gerätst du in einen Hexenkessel. Denke daran, jeder, der dir begegnet, könnte ein Anhänger Roms oder Konstantinopels sein, ein Getreuer Edikas oder Babais oder Theudemirs. Solltest du einen von ihnen bevorzugen und dumm genug sein, dich
    einer Schlange von Spion anzuvertrauen, dann...« Er
    streckte mir seine beiden Stümpfe entgegen.
    Ich versicherte ihm, ich würde vorsichtig und schweigsam sein, und wünschte ihm und den seinen eine glücklichere Zukunft als es ihre Vergangenheit gewesen war. Dann
    machte ich mich wieder auf den Weg.
    Noch bevor ich die Römerstraße erreichte, sollte ich einer Schlange zum Opfer fallen, jedoch keiner menschlichen, sondern einer echten. Am späten Nachmittag des nächsten Tages legte ich am Ufer eines glasklaren Baches eine Rast ein. Ich saß ab und beugte mich über das Wasser, um
    meinen Durst zu löschen. Mit der rechten Hand stützte ich mich dabei auf einem schwärzlichen Fels mit grünen
    Einsprengseln ab. Plötzlich bewegten sich die Farben heftig, und ich spürte einen scharfen Schmerz in meinem Unterarm.
    Von all den Steinen, auf denen ich mich hätte abstützen können, hatte ich mir genau den ausgesucht, auf dem eine Schlange die Wärme der letzten Sommertage in sich aufsog.
    Und von all den Schlangen, die sich hier hätten sonnen können, mußte es ausgerechnet eine grünhchschwarze,
    möglicherweise tödliche Kreuzotter sein.
    Ich stieß einen Fluch aus und zerschmetterte mit einem Stein ' den Kopf des Reptils. Was sollte ich tun? Ich hatte keine Erfahrung mit Schlangenbissen, aber ich wußte, daß mein Leben in Gefahr war. Das einzige, was mir einfiel, war, daß mein Juikabloth, wäre er noch am Leben, der Kreuzotter keine Zeit gelassen hätte, mich zu beißen. Und daß Wyrd, weilte er noch unter den Lebenden, mir hätte sagen können, was ich jetzt tun sollte.
    »Was auch immer du tust, bewege dich nicht«, sagte eine befehlsgewohnte Stimme, aber es war nicht die Wyrds.
    Ich blickte auf und sah einen jungen Mann auf der anderen Seite des Baches stehen. Er war wohl in meinem Alter, aber um einiges größer und kräftiger gebaut. Er trug sein blondes Haar lang, und in seinem Gesicht zeigten sich die leichten Schatten des ersten Bartwuchses. Obwohl er wie ein
    Waldmann gekleidet war, erschien er zu gepflegt, um zu den hier lebenden Bauerntölpeln zu gehören. Er griff nach dem Messer in seinem Gürtel. Ich erinnerte mich daran, was mir der Handlose über Spione und Späher erzählt hatte, und legte meine Hand auf das Kurzschwert, das ich an meinem Gürtel trug.
    »Ich sagte: keine Bewegung«, bellte er mich an, und
    sprang leichtfüßig über den Bach. »Du hättest noch nicht einmal die Schlange töten dürfen. Jede Bewegung läßt das Gift nur noch schneller durch deine Adern fließen.«
    Wenn er sich um mein Wohlergehen sorgte, dann konnte
    er kaum ein Feind sein. Ich ließ mein Schwert in der Scheide stecken und bewegte mich nicht mehr. Er kniete neben mir nieder, schnitt den rechten Ärmel meiner Tunika auf und entblößte meinen Arm. Unter dem Ellbogen leuchteten zwei grellrote Bißwunden.
    »Beiß die Zähne zusammen«, befahl er, nahm einen Wulst meiner Haut zwischen seinen Daumen und Zeigefinger und setzte vorsichtig das Messer an.
    »Halt, Fremder«, protestierte ich, »willst du, daß ich verblute?«
    »Slaväith«, sagte er streng. »Du mußt bluten. Aber du
    wirst nicht verbluten. Du kannst dich glücklich schätzen, daß die Schlange dich biß, wo sie dich biß. Alles Fleisch des Körpers, das man zwischen zwei Fingern hochziehen kann, kann man wegschneiden, ohne Gefahr zu laufen, ein
    lebenswichtiges Blutgefäß zu verletzen. Tu, was ich dir sage. Beiß die Zähne zusammen und schau weg.«
    Ich gehorchte und gab nur ein unterdrücktes Stöhnen von mir, als er ein Stück Haut und Fleisch wegschnitt.
    Ich schluckte schwer und fragte: »Bin ich nun gerettet?«
    »Nein, aber es wird helfen. Genau wie das hier.« Er zog seinen Gürtel aus, schlang ihn um meinen Oberarm und
    knotete ihn fest zu. »Halte deinen Unterarm in das kalte Wasser und laß es bluten. Ich muß unsere Pferde anbinden, bevor sie davonlaufen. Wir werden eine ganze Zeitlang hier bleiben müssen.«
    Ich wunderte mich über diesen jungen Mann, und noch
    mehr, als ich ihn sein Pferd aus dem Wald jenseits des Baches führen sah. Es war, wie

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