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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hätte.
    Daher blieb ich stets wachsam und mißtrauisch. Nachts
    schlief ich, wie Wyrd es getan hatte: In meiner Faust, die über dem kupfernen Eßgeschirr ruhte, hielt ich einen
    Kieselstein, der laut scheppernd in den kupfernen Teller fallen würde, sobald ich, ganz gleich wie tief ich schlief, etwas Verdächtiges spüren würde. Wieder kam ich durch
    eine Region ohne eine einzige römische Straße, nur
    gelegentlich stieß ich auf eine Karrenspur, einen Viehtrieb oder einen ausgetretenen Fußpfad. Wenn ein solcher Weg in meine Richtung führte, folgte ich ihm. Aber wenn ich Zeichen eines anderen Reisenden gewahr wurde oder sah, daß der Weg auf eine Ansiedlung zuführte, verließ ich den Pfad oder verbarg mich in den Büschen, zumindest bis ich sicher sein konnte, daß der Reisende oder die Menschen der Siedlung keine Gefahr für mich darstellten.
    Velox wußte so gut wie ich, wie man sich leise fortbewegt, so daß wir alle beide immer schon von weitem den Lärm
    hörten, den der Wagen eines Fuhrmanns, ein Viehtreiber mit seinen Tieren oder ein unachtsamer Wanderer auf dem Pfad verursachten. Selbst jemand, der sich im Wald so wenig auskennt wie ich damals, kann sagen, ob eine Siedlung in der Nähe ist, wenn er nur die Vögel beobachtet. Solange Schwarzstörche und Blauelstern um mich herum waren,
    wußte ich, daß ich in der Wildnis war. Wenn ich jedoch Weißstörche sah, die auf Dachgiebeln nisten, und die
    schwarzweißen gemeinen Elstern, die so gerne räubern,
    wußte ich mich in der Nähe von menschlichen
    Ansiedlungen.
    Außerdem lernte ich schnell ein anderes Zeichen, das mir die Nähe eines Wohnorts zeigte und ob ich dort willkommen sein würde - oder ob ich besser einen großen Bogen darum herum machte. Der Maßstab für die Bedeutung und
    Unverwundbarkeit jeder hier lebenden Sippe -
    viehzüchtende Germanen zumeist war, wieviel Einsamkeit und Leere sie um sich herum schaffen und aufrechterhalten konnte. Wenn ich also zu einem so riesigen gerodeten
    Landstrich mitten im Wald kam, daß die Siedlung vom
    Waldrand aus nicht zu erkennen war, konnte ich mit einiger Sicherheit annehmen, daß die Sippe sich Fremden
    gegenüber wenig gastfreundlich zeigen oder sie gar mit Gewalt vertreiben würde.
    Aber selbst die am wenigsten abweisenden Siedlungen
    führten mich kaum in Versuchung, einzukehren, außer wenn ich etwa Salz benötigte oder mich nach einem Schluck guter Milch dürstete, Dinge, die ich selbst nicht beschaffen konnte.
    Dem Wanderer boten diese Dörfer und Siedlungen
    ansonsten wenig Abwechslung, die Menschen, die in den
    verwahrlosten und ärmlichen Häusern lebten, waren einer wie der andere Bauerntölpel, stumpf, ungepflegt und von wenig einnehmendem Äußeren.
    Hin und wieder traf ich auf einem Weg einen offensichtlich friedlichen Fuhrmann oder Hirten, mit dem ich ein Stück Wegs ritt, einfach nur um einmal wieder mit jemand anderem als dem Geist von Wyrd zu sprechen. Vorausgesetzt, sollte ich hinzufügen, ich konnte dem hinterwäldlerischen Dialekt der alten Sprache, herulisch oder langobardisch oder was auch immer, gut genug folgen, um eine Unterhaltung zu
    führen.
    Die meisten der Bauern, denen ich begegnete, wußten
    nicht viel über die Welt jenseits ihres Heimatortes - und wollten auch gar nichts davon wissen. Als ich einen Mann, mit dem ich ritt, um Nachrichten von größerer Tragweite als der Vermählung irgendwelcher dörflicher Bauerngeschöpfe anging, faselte er etwas von Gerüchten über Kriege und Schlachten, wo, das wußte er nicht, nur, daß in letzter Zeit nichts derartiges hier in der Gegend vorgefallen sei. Ein andermal fragte ich einen, wohin der Weg, auf dem wir uns befanden, führte, außer zu seinem Heimatort.
    »Ich habe gehört«, antwortete er, als ob es ein Gerücht sei, dem er nicht so recht Glauben schenken konnte, »der Weg soll über die Grenzen in eine andere Provinz führen, und dort, an einem großen Fluß, soll eine große Stadt sein.«
    »Und wie heißt diese Provinz? Oder der Fluß? Die Stadt?«
    »Wie sie heißen? Ach, Fremder, falls sie Namen tragen, kann ich sie Euch nicht sagen.«
    Eines Tages ritt ich ohne Begleitung auf einem breiten, vielbefahrenen Weg, als Velox plötzlich seine Ohren spitzte.
    Fast gleichzeitig vernahm ich weit vor uns Hufgetrampel. Ich zugehe Velox und hörte genauer hin. Neben dem Getrampel konnte ich das Klingeln und metallische Klappern von mehr als nur Sattel- und Saumzeug unterscheiden. Die Geräusche kamen von

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