Der Greif
reisen. Am besten, Ihr brecht sofort auf.«
»Ich bin bereit, Theoderich!« stieß Soas hervor. Er sprang sofort auf die Füße, grüßte zackig und verschwand durch die Tür, die zur Straße führte.
Noch bevor ich fragen konnte, auf welche Weise ich nach Konstantinopel gelangen würde, sagte Theoderich bereits:
»Unten am Fluß warten in einem Kahn ein paar
vertrauenswürdige Bootsleute auf dich. Auch für Proviant wurde bereits gesorgt. Ihr werdet die Donau hinunterfahren, bis ihr meine mösische Hauptstadt Novae erreicht. Da du den Optio Daila bereits kennst, wird er dich zusammen mit zwei Bogenschützen begleiten, denn es könnte sein, daß ihr unterwegs auf Piraten oder irgendwelche Hindernisse
anderer Art stoßt. Der Kahn faßt euch alle und eure Pferde obendrein. Ich wünsche jedoch, daß du mit einer größeren, eindrucksvolleren Gefolgschaft in Konstantinopel eintriffst; daher gebe ich dir noch einen weiteren Brief für meine Schwester Amalamena in Novae mit, in dem ich sie bitte, dir weitere Krieger und Pferde zur Verfügung zu stellen.
Vielleicht möchte sie dich sogar mit ihrer Dienerschaft begleiten. Auch Amalamena war noch nie in Konstantinopel.
Du wirst dich in ihrer Gesellschaft sicher wohlfühlen. Sie ist schön und charmant und alle, die sie kennen, lieben sie -
mich eingeschlossen. Sie wird auch dafür Sorge tragen, daß dein ganzes Gefolge hervorragend gekleidet, ausgerüstet und versorgt ist, wenn ihr von Novae aus in südöstliche Richtung losreitet. Nun, hört sich das wirklich so schlecht an, Thorn? Hast du immer noch Bedenken, als mein Marschall zum Hof des Kaisers zu reisen?«
»Ne, ne, ni allis.« Was sollte ich auch noch groß sagen, wenn er sich ohne weiteres vorstellen konnte, daß sogar eine Frau nicht zögern würde, diese Reise zum erlauchten Kaiser Leo anzutreten. »Hast du noch irgendwelche
Anweisungen?«
»Nein, nur hohe Erwartungen; besonders die, daß du sehr schnell mit dem Vertrag zurückkehrst, um den du dich
bemühen sollst. So sei es!«
Unsere Fahrt die Donau hinab verlief ohne weitere
Zwischenfälle. Die Donau war zunächst weiterhin der
schnellfließende, aber dennoch breite, braune Strom, der mir bereits vertraut war, und die Sawe, die sich oberhalb von Singidunum mit ihr vereinigte, verbreiterte sie noch
beträchtlich. Die nun mehr als eine halbe römische Meile auseinanderliegenden Wälder links und rechts des Stromes waren daher nur noch verschwommen zu erkennen.
Ungefähr eine Tagesreise nach Singidunum veränderte der Strom jedoch plötzlich seinen Charakter dramatisch. Auf ihrem Weg nach Osten mußte die Donau sich nun zwischen zwei großen Gebirgsketten hindurchzwängen; im Norden
erhoben sich die Karpaten und im Süden der große Balkan.
Da die Donau sich nun durch den weniger als ein Stadium breiten Engpaß hindurchschlängeln mußte, den die zu
beiden Seiten steil aufragenden Felswände bildeten, schoß der zuvor so breite, braune Strom ab hier als tosender, weiß schäumender Strudel durch sein beengtes Flußbett. Die
Pferde spreizten ihre Beine weit auseinander und stemmten sie gegen die Planken des Kahns. Daila, die Bogenschützen und ich klammerten uns bange an alles, was an dem Kahn niet- und nagelfest war. Das ächzende Boot wurde von den peitschenden Wassermassen hin- und hergeschleudert und tanzte mit abrupten Sprüngen und Schlenkern durch die
Brandung; dennoch blieben die Bootsleute während dieses wilden Ritts erstaunlich gelassen und hielten das Boot, das immer wieder zur Seite hin ausbrechen wollte, mit ihren Stangen und dem Steuerruder geschickt in der Mitte des Flußbetts, so daß es nicht an den Uferfelsen zerschellen konnte.
Diese wilde, turbulente und furchterregende Fahrt setzte sich beinahe ununterbrochen einen ganzen Tag lang fort, der einem wie eine ganze Woche vorkam, endete dann
jedoch genauso abrupt, wie sie begonnen hatte. Der Fluß schoß aus der Kluft heraus, die Felswände wichen zur Seite, und bald darauf ließen wir die Karpaten und den großen Balkan hinter uns und fuhren an Wäldern, Wiesen und
Unterholz vorbei. Als ob der Fluß sich über seine Befreiung aus der Bedrängnis freute, toste er nun nicht mehr mit ohrenbetäubendem Lärm vorwärts, sondern dehnte sich
gemächlich wieder auf seine alte Breite aus und floß mit einer Art erleichtertem Seufzen wie zuvor braun und friedlich vor sich hin. Nun lotste die Bootsbesatzung den Kahn ans Ufer, wo die Pferde auf einer saftigen Weide grasen
konnten,
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