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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Hochebene jetzt sanft gewellt vor mir ausbreitete, kam ich mir einsam und verlassen vor, obwohl ich warm in mein
    Schaffell eingehüllt war und mein Adler auf meiner Schulter saß. Ich fürchtete den zunehmend kälter werdenden Winter und fühlte mich schutzlos allen möglichen Gefahren
    preisgegeben. Im Kloster hatte alles seinen geordneten Gang genommen. Aber man hatte mich ausgestoßen, und
    jetzt wanderte ich auf einer
    Straße dahin, die offen, ungeschützt und ins Endlose
    reichend vor mir lag, und ich wußte nicht, was mich
    erwartete.
    In den ersten zwei oder drei Dörfern an dieser Straße war ich schon gewesen, und man erkannte den »Jungen vom
    Kloster«. Die Dorfbewohner beäugten zwar überrascht und neugierig meinen Adler, nahmen aber zweifellos an, daß ich ausgeschickt worden war, um eine Besorgung für St.
    Damian zu machen. Sobald ich jedoch diese Orte hinter
    mich gebracht hatte und in eine Gegend kam, die ich nicht kannte, mußte ich mich vor allem vor einer Gefahr in acht nehmen. Es konnte mir unterwegs jemand begegnen, der
    glaubte oder behauptete, ich sei ein entlaufener Sträfling, und mich als Sklaven einfing.
    Da ich kein Sklave gewesen war, besaß ich auch keine
    Urkunde, die meine Freilassung bestätigt hätte, aber nur so hätte ich beweisen können, daß ich ein freier Mensch war.
    Natürlich müssen Erwachsene normalerweise nicht
    beweisen, daß sie frei sind, es sei denn, sie tragen Narben und Schwielen, die von den Eisen und Ketten eines Sklaven herrühren könnten, oder sie haben das Pech, einem
    entlaufenen und überall gesuchten Sklaven ähnlich zu
    sehen. Ein allein umherstreifender Junge jedoch konnte leicht von jemandem, der einen Sklaven brauchte,
    festgehalten und angeklagt werden. Da half dann kein
    Schreien und Protestieren, und selbst wenn der Junge eine plausible Erklärung für sein Vagabundieren bereit hatte, würde vor Gericht das Wort des Erwachsenen mehr gelten.
    Ein Knabe war ein besonders guter Fang, auch wenn er
    noch sehr klein war - es lohnte sich, ihn aufzuziehen, bis er groß genug war, um zu arbeiten. Ich war zudem bereits im richtigen Alter und konnte als männlicher oder weiblicher Sklave eingesetzt werden. Was ich am Körper trug, war in dieser ländlichen Gegend für beide Geschlechter üblich.
    Doch selbst wenn ich mich offen als Junge oder als
    Mädchen ausgegeben hätte, schwebte ich in Gefahr: Als
    Junge hätte ich schwere Arbeit verrichten müssen, als
    Mädchen wäre die Arbeit vielleicht weniger schwer gewesen, doch hätte ich sicher das Bett mit meinem Besitzer teilen müssen.
    So ging ich jedem Reisenden, den ich von weitem
    erspähte, ob Reiter oder Fuhrmann, aus dem Weg und
    versteckte mich im Unterholz oder in einer Hecke, bis er vorbei war. Jedes für mich fremde Dorf umging ich in
    sicherer Entfernung. Ich fragte nie in einer der Herbergen am Weg um Obdach oder Nahrung an. Selbst wenn es bitter kalt war oder schneite, schlief ich in einem Heuschober oder Stall und war früh am nächsten Morgen, bevor der Bauer zur täglichen Arbeit auf die Felder kam, wieder unterwegs.
    Wenn ich Hunger hatte, stahl ich mir etwas zu essen. Die Not lehrte mich, mit der Schleuder zu jagen, aber trotzdem gelang es mir nur selten, einen Hasen oder eßbaren Vogel abzuschießen. Mein Adler jagte weitaus besser, doch zum Glück war ich nie so hungrig, daß ich von den Schlangen und Mäusen, die er erbeutete, essen mußte. Die
    brachliegenden winterlichen Felder gaben nicht viel her, außer gelegentlich einer vergessenen, gefrorenen Rübe. So blieb mir nichts anderes übrig, als Hühnerställe zu plündern und Eier oder ab und zu ein ganzes Huhn zu stehlen.
    Die Straße führte zum Ufer des Doubs, und das erste Mal seit vielen Tagen hatte ich Gelegenheit, mich zu waschen.
    Zuerst mußte ich jedoch ein Loch in das Eis schlagen. Das Wasser war so kalt, daß es schmerzte. Der Fluß versorgte mich mit genügend Fischen, und ich hatte es nicht mehr nötig, Hühnerställe zu überfallen. Entlang des Doubs lagen viele Weinberge, die zwar im Winter nicht trugen, mir aber dennoch in einer ganz besonderen Art dienten. Ich stahl mehrere Enden Schnur, mit denen die Reben an den
    Pfählen festgebunden waren, band diese zu einer
    Angelschnur zusammen und bastelte improvisierte
    Angelhaken aus den Dornen des Hagedornstrauchs.
    Das Holz des Hagedorns ist sehr hart, und ich hatte kein Messer, deshalb brachte ich dem Juikabloth bei, mit seinem scharfen Schnabel kleine Zweige

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