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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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abzubeißen. Es erforderte viel Mühe und Übung, bis der Vogel verstand, was ich wollte.
    Sobald er jedoch begriffen hatte, brachte er fleißig immer mehr dornige Zweige herbei, so daß ich bald mehr davon hatte, als ich brauchte. Außerdem lieferte er mir die Köder zum Fischen; ich benutzte zum Beispiel den Kadaver einer Maus, die er geschlagen hatte. Als Dank bekam er den
    ersten Fisch, den ich fing. In den folgenden Tagen brachte er mir jedesmal einen Schnabel voller Hagedornzweige mit, wenn er auf Futtersuche ging. Wahrscheinlich glaubte er, ich wolle mir ein Nest bauen.
    Ich folgte dem Doubs einige Tage lang stromaufwärts und fing noch mehr kleinere Fische aller Art, darunter Forellen und Schmerlen. Für größere Fische wie Hechte waren
    meine primitiven Angelhaken und meine Angelschnur nicht stark genug. Vor den Frachtkähnen, die täglich auf dem Fluß an mir vorbeizogen und schwere Ladungen von Salz oder
    Holz stromabwärts nach Lugdunum brachten, versteckte ich mich, wie ich mich auf der Straße vor anderen Reisenden versteckt hatte. Die Gefahr, daß ein Kahnführer mich
    schnappte und als Sklave auf seinem Schiff arbeiten ließ, war nämlich genauso groß. Daher fischte ich meist bei
    Nacht, und es erwies sich, daß dies sogar einfacher war als bei Tag, denn mit einer Fackel aus Reisig konnte ich die Fische näher ans Ufer locken.
    Die Straße führte in nordöstlicher Richtung weiter und stieg unmerklich an, so daß ich ganz erstaunt war, als der Doubs plötzlich von hohen Ufern gesäumt war. Schließlich kam ich zu einer scharfen Biegung des Flusses und einer Halbinsel, auf der die Stadt Vesontio liegt. Bereits aus der Ferne erblickte ich die auf dem höchsten Hügel der Stadt erbaute eindrucksvolle Basilika des heiligen Johannes.
    Zwei oder drei Meilen vor dem Stadttor war die Straße mit vier parallelen Reihen von Kopfsteinen gepflastert, damit die Karren, die dort verkehrten, in der regnerischen Jahreszeit nicht im Dreck versanken. Die Zwischenräume zwischen den Reihen waren ungepflastert, um die Hufe der Zugpferde, Esel und Ochsen zu schonen. Da in Vesontio reger Verkehr herrschte - zu Fußgängern und Reitern kamen Karren und Wagen voll mit den unterschiedlichsten Gütern - konnte ich es riskieren, mich auf den Straßen unter die Leute zu
    mischen. Selbst der Adler auf meiner Schulter fiel nicht weiter auf. Einige der Händler trugen auf der Schulter Weidenkäfige mit Nachtigallen und anderen Singvögeln, und ich nehme an, daß man mich für einen Vogelhändler hielt.
    Vesontio war die erste Stadt, die ich kennenlernte, und ich war zutiefst beeindruckt von ihren vielen Häusern, den vornehmen Bädern, dem riesigen Amphitheater, der
    steinernen Brücke, die sich über den Doubs spannte, und dem großen Triumphbogen, den Kaiser Marc Aurel hier
    errichtet hatte. Am meisten beeindruckte mich freilich, daß sich die Menschen in der Stadt anders kleideten - anders als die Bauern auf dem Land und anders insofern, als Männer und Frauen und sogar Knaben und Mädchen meines Alters
    verschiedene Kleider hatten. Die Frauen trugen im
    allgemeinen lange Kleider, die bis auf den Boden reichten und mit reichen Stickereien verziert waren; Frauen, die ihre langen, ungeflochtenen Haare nicht offen trugen, bedeckten sie mit bunten Kopftüchern. Die Männer hatten kurze
    Ledertuniken an und darunter knielange Röcke aus Tuch
    und entweder Hosen oder Gamaschen. Die meisten trugen
    keine Kopfbedeckung, und nur vereinzelt sah ich
    Lederkappen in verschiedenen phantasievollen Formen.
    Am Stoff der Kleidung - ich sah teure Wollstoffe aus
    Baetica oder Mutina und feines Leinen aus Camaracum -
    und der Zahl wie auch dem Wert des stolz zur Schau
    getragenen Schmuckes konnte man erkennen, wie reich
    jemand war und zu welcher Gesellschaftsschicht er gehörte.
    Reiche Männer trugen eine »Spange« an der rechten
    Schulter, reiche Frauen je eine Fibel an beiden Schultern.
    Die Männer trugen aufwendige Gürtelschnallen, die Frauen Armbänder, Fußspangen oder beides. Der Schmuck war
    meist aus Gold und mit Granaten, Karfunkeln, Bergkristallen oder anderen Edelsteinen besetzt. Da es Winter war, trugen die Menschen auf der Straße außerdem Mäntel und
    Umhänge aus Fellen.
    Ich konnte mir solche vornehmen Kleider natürlich nicht leisten, aber es verkehrten genug andere Leute vom Land auf den Straßen, so daß ich in meinem Schaffell, meinem Rock und meiner Hose nicht auffiel. Ich wollte mir allerdings zusätzlich einige

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