Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
die Tore versperrte.
    Unversehens sahen wir uns vier alten Männern
    gegenüber, offensichtlich den Stadtvätern, von denen jeder huldvoll, blasiert und selbstgefällig lächelte wie nur je ein Priester.
    Theoderich sagte zu ihnen: »Wir sind keine Hunnen. Wir kommen nicht, die Stadt bis auf die Grundmauern
    niederzureißen. Wir wollen nur unsere Vorräte aufstocken, bevor wir weiterziehen.
    Öffnet das Schatzhaus, laßt uns nehmen, was wir
    brauchen, und ich versichere Euch, daß Euer Gold, Eure Frauen und andere wertvolle Schätze nicht angerührt
    werden.«
    »Oh väi«, murmelte einer der vier Alten, hatte jedoch
    immer noch ein liebenswürdiges Lächeln aufgesetzt.
    »Hätten wir von Eurem Edelmut gewußt, wir hätten andere Vorkehrungen getroffen. Doch die Wachen haben ihre
    Befehle. Sie dürfen die Tore nicht eher öffnen, als bis sie von ihren Fensterschlitzen aus gesehen haben, daß auch der letzte Eindringling die Stadt verlassen hat.«
    »Ich schlage vor, daß Ihr diesen Befehl zurücknehmt.«
    »Das wird nicht gehen.«
    »Ach, ich nehme an, daß es sehr schnell gehen wird«,
    sagte Theoderich leichthin, »wenn ich zu Euren Füßen ein kleines Feuer anzünde.«
    »Das wird nichts nützen. Wir können befehlen, was wir
    wollen - die Wachen sind verschworen, keiner Bitte, keinem Befehl und keinem Überredungsversuch nachzugeben,
    selbst wenn Ihr ihre Mütter hier verbrennen würdet.«
    Theoderich nickte, als würde er solchen Eigensinn
    bewundern, doch dann sagte er: »Ich werde Euch nicht
    mehr bitten. Wenn meine Männer die Mauern brechen
    müssen, werden sie eine Belohnung für die Schinderei
    erwarten. Ich werde sie nehmen lassen, was sie finden.
    Jeden Leckerbissen und jedes Mädchen.«
    »Oh väi«, sagte der Alte wieder, sah jedoch kein bißchen beunruhigt aus. »Dann müssen wir einfach beten, daß Ihr es nicht schafft, die Mauern zu brechen.«
    »Es geht alles zu Euren Lasten, wenn wir die Schale
    knacken und den Kern verschlingen«, erwiderte Theoderich.
    »Geht und betet woanders.«
    Als die vier Alten sich selbstgefällig davonmachten,
    wandte er sich an Friderich: »Gib deinen Mannen etwas zu tun, Junge, und laß sie graben! Siehst du dort drüben? Der östliche Winkel des Gebäudes steht auf einem Abhang. Sag deinen Rugiern, sie sollen dort einen Tunnel graben.«
    »Einen Tunnel graben?« wiederholte Friderich unsicher.
    »Ihr schickt meine Männer in den Tod! Wenn die
    Grundmauer nachgibt, werden sie von den Steinen
    zermalmt.«
    »Deshalb sollen sie Holzbalken schneiden und die
    Grundmauern so gut wie möglich stützen. Man nimmt dazu keine grünen Baumstämme, sondern hartes, trockenes
    Holz.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte der Junge. »Warum das
    Gebäude untergraben, wenn Ihr es doch stehen laßt?«
    Theoderich seufzte. »Geh' jetzt und befiehl, was ich dir gesagt habe. Sag deinen Leuten, daß sie als erste über die Jungfrauen drinnen herfallen können. Je schneller sie
    arbeiten, desto früher bekommen sie ihre Belohnung. Habai ita swe.«
    Friderich sah immer noch unsicher drein, doch er
    wiederholte mechanisch »Habai ita swe«, und ging, die
    Befehle zu erteilen.
    »Pitzias, Ibba, Herduich«, rief Theoderich. »Sagt Euren Unterbefehlshabern, sie sollen alle unsere Männer in den Bürgerhäusern einquartieren. Laßt uns diesen ungastlichen Siscianern beibringen, was sich gehört! Wir sollten nicht in Zelten und im Freien schlafen, wenn wir es bequemer haben können, während wir warten.«
    Das Graben erwies sich als Schwerstarbeit, aber es war wenigstens nicht gefährlich. »Wie tief soll die Grube werden, Theoderich?« fragte Friderich am fünften oder sechsten Tag.
    »Sie ist nun ein Viertel eines Stadions tief und breit, und wir finden kaum mehr Holz für die Stützen.«
    »Das ist groß genug«, erwiderte Theoderich. »Schicke nun Männer aus, alles einzusammeln, was sie in der Stadt an Olivenöl finden.«
    »Olivenöl?«
    »Damit sollen sie das Holz tränken und es anzünden. Und sie sollen sich in sicherer Entfernung zum Abhang
    aufhalten.«
    »Ah«, schnaufte Friderich, und man konnte ihm ansehen, daß er den Plan jetzt verstand. Eilends stürzte er fort, um Theoderichs Befehl auszuführen.
    Teilweise verstanden auch die Siscianer, als aus dem
    Graben Rauch aufstieg. Die vier Stadtväter kamen
    herbeigeeilt, und sie sahen nun nicht mehr blasiert, sondern eher unsicher aus.
    »Habt Ihr vor, unsere Jugend in einem Steinofen zu
    braten?« winselte einer von ihnen. »Die Wachen und

Weitere Kostenlose Bücher