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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die anderen Soldaten - das würden die Kriegsregeln erlauben.
    Aber unsere Frauen, niu? Unsere Mädchen? Unsere
    Kinder?«
    »Wir haben das Feuer nicht gelegt, um jemanden zu
    braten«, erwiderte Theoderich. »Sie werden nur ein wenig schwitzen, bevor die Stützen brennen. Dann stürzt die eine Seite des Gebäudes in sich zusammen und...«
    »Oh vai, das ist ja noch schlimmer!« Die Alten rangen die Hände. »Das einzig annehmbare Gebäude, das unserer
    einst so prächtigen Stadt Siscia erhalten blieb! Selbst Attila hat es ausgespart! Bitte, mächtiger Sieger, löscht das Feuer.
    Wir werden Euch die Tore öffnen. Laßt uns nur nahe genug herankommen, um den Wachen das verabredete Zeichen zu
    geben.«
    »Das habe ich mir gedacht«, meinte Theoderich trocken.
    »Doch Ihr hattet Eure Chance. Ich nehme mein Wort nicht so schnell zurück. Unsere Männer mußten wegen Eures
    Trotzes hart arbeiten. Sie werden dafür belohnt. Eure
    Frauen, Mädchen und Kinder werden sich wünschen, sie
    wären gebraten worden.«
    Die Alten stießen ach!
    und
    väi!
    und andere
    Schreckensrufe aus. Doch dann berieten sie sich, und einer von ihnen ergriff das Wort: »Laßt uns das Gebäude, und wir geben Euch alle, die sich darin aufhalten.«
    Theoderich warf ihm einen bitteren Blick zu. »Ihr seid mir die wahren Stadtväter, gewiß aber nicht die Väter
    derjenigen, die da drin gefangensitzen. Euch ist die Stadt wichtiger als deren Bürger. Doch womit wollt Ihr verhandeln?
    Was könnt Ihr mir geben, das ich nicht schon habe?«
    »Dann habt Erbarmen mit uns! Das Schatzhaus ist das
    einzige, was Siscia zur Stadt macht.«
    »Das stimmt. Es liegt auch in meinem Interesse, auf die Stadt Rücksicht zu nehmen. Wenn das Westreich mir
    gehört, gehört mir auch Siscia. Ich werde meinen eigenen Besitz nicht plündern. Gut, ich nehme Euer Angebot an. Die Schale bleibt, der Kern ist unser. Geht jetzt und gebt das Zeichen.«
    Als die Alten von der Wache abgeführt wurden, winkte
    Theoderich einen Boten heran und befahl: »König Friderich soll das Schatzhaus umzingeln. Wenn sich die Tore öffnen, soll er das Feuer löschen und die erwachsenen Männer
    unversehrt aus dem Gebäude kommen lassen. Wie
    versprochen können seine Soldaten dann mit den anderen verfahren, wie sie wollen.«
    Saio Soas brummte: »Ich billige, daß Ihr das Gebäude
    verschont, Theoderich. Aber ich kann nicht verstehen,
    warum Ihr die vier kriecherischen Alten laufen laßt.«
    »Ich habe nicht vor, sie laufen zu lassen. Erteilt Befehl, Soas, daß die ganze Bevölkerung von Siscia Zeuge dessen ist, was geschieht, wenn das Schatzhaus geöffnet wird.
    Danach gebt Ihr bekannt, daß die Orgie zu Lasten ihrer eigenen Stadtväter geht. Ich wage zu behaupten, daß die Väter, Ehemänner und Brüder der Bürgerschaft den Alten eine Strafe zuteil werden lassen, die sie verdienen und die vermutlich viel schlimmer sein wird als alles, was wir uns ausdenken könnten.«
    Frisch versorgt mit Vorräten aus dem Schatzhaus Siscias, brachen wir wieder auf. Doch wir waren gerade fünfzig
    Meilen stromaufwärts marschiert, als sich uns ein weiteres Hindernis in den Weg stellte. Diesmal traten uns Sarmaten und Skiren in Lamellenpanzern und Kegelhelmen entgegen.
    Zwei Beweggründe veranlaßten sie dazu: Zum einen waren ihre Stämme so oft überwältigt und geteilt worden, daß sie zu einem elenden Nomadendasein gezwungen waren. Sie
    hofften nun, wie auch der unglückliche Gepide Thraustila gehofft hatte, unseren Marsch nach Venetien aufzuhalten und damit Odoakers Gunst, ein Stück Land und einen
    besseren Ruf als den eines Wandervolkes zu gewinnen.
    Außerdem nagte die Kränkung früherer Niederlagen immer noch an den Herzen der Krieger, und viele wollten sich einfach nur an uns Ostgoten rächen.
    Doch ihre Aussichten, Rache zu üben, waren gering,
    geringer noch als die Thraustilas. König Thraustila war wenigstens der alleinige Befehlshaber über ein einheitliches gepidisches Soldatenheer gewesen. Die Führer dieser
    kleinen Stämme hingegen waren außerstande gewesen,
    einem einzigen von ihnen, die militärische Verantwortung zu übertragen. Ihr zusammengewürfeltes Heer war in
    Kampfstrategien ungeübt. Uns stellte sich eigentlich nur eine unorganisierte Bande entgegen, die zwar mutig war und
    Kampfgeist zeigte, nicht aber als Streitmacht vorgehen konnte.
    Ich brauche die Schlacht nicht bis in alle Einzelheiten wiederzugeben. Sie verlief genauso, wie Theoderich sie geplant hatte, und war vorüber,

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