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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gut, daß ich sie herausgefordert hatte. Mir fiel ein, wie
    kurzentschlossen Theoderich bei ähnlichen Gelegenheiten mit anderen Übeltätern verfahren war: Er hatte nicht lange überlegt und mit seinem Schwert Camundus, den Legaten
    von Singidunum, und Strabos Sohn Rekitach durchbohrt. Ich führte es auf unsere lange Freundschaft zurück, daß er mich
    »nur« verbal strafte.
    So ließ ich denn die Strafpredigt gelassen über mich
    ergehen, während ich an angenehmere Dinge dachte. Ich
    erinnerte mich daran, wie ich vor langer Zeit den jungen Theoderich bewundert und mir gewünscht hatte, eine Frau zu sein. Nun, da ich den reiferen Theoderich noch glühender bewunderte, konnte ich es mir nicht erklären, wie sich die geflügelte Phantasie der Veleda auf einen anderen Mann konzentrieren konnte als ihn, nämlich auf Friderich. Erst vor wenigen Tagen hatte Veleda im Geiste einen illusorischen Friderich gegen den zwar reellen, doch ihr unwichtigen Tufa ausgetauscht, mit dem sie sich aus Notwendigkeit paarte.
    Das gab mir zu denken: Konnte es sein, daß ich in meiner schwärmerischen Einbildung Friderich und Theoderich
    beständig gegeneinander ausgetauscht hatte? Konnten
    Gedanken so komplex werden und sich derart
    verselbständigen?
    Theoderich sah mich finster an und verlangte: »Sprich für dich selbst! Kannst du dich rechtfertigen, das Recht des Königs beansprucht und Tufa verurteilt zu haben? Hast du zur Milderung deines Verbrechens etwas vorzutragen?«
    Ich hätte Theoderich nun mit berechtigter Entrüstung
    nahelegen können, daß er es mir als Marschall zutrauen müsse, daß ich meine eigenen Entscheidungen treffen
    konnte, wenn es um wichtige Angelegenheiten ging und ich mich nicht in unmittelbarer Nähe meines Königs befand.
    Genau dies sagte ich ihm auch, doch ich zeigte keine
    Entrüstung, sondern machte einen Scherz daraus: »An der Übeltat hast du allein schuld, mein König.«
    »Eh?« Seine blauen Augen leuchteten, und vor lauter
    Überraschung blieb ihm der Mund offen stehen. Alle
    Anwesenden hielten den Atem an.
    »Du hast diesen Niemand Thorn zum Herzog erhoben. Du
    hast diesen Emporkömmling Thorn zum Marschall ernannt.
    Kann man es mir übelnehmen, daß ich davon ausging,
    meine Sünden müßten meinem Status entsprechen?«
    Alle starrten mich an. Dann brach Theoderich in
    schallendes Gelächter aus und nach ihm alle seine Offiziere, selbst der sauertöpfische alte Soas. Es kam schließlich nicht von ungefähr, daß ich - wie übrigens alle seine Untertanen -
    unseren König bewunderte und verehrte: Er war der lebende Beweis dafür, daß ein Regent herzlich und gewinnend und gleichzeitig majestätisch und stark sein konnte.
    Während der darauffolgenden Diskussion erfuhr ich, daß Theoderich die Römer an der Adda so vernichtend
    geschlagen hatte wie am Isonzo. Nachdem das Heer der
    Römer zerstreut war, genügte es, einige Tage lang an die Tore von Mediolanum zu hämmern, und dieselben flogen
    auf. Nun war die erste bedeutende Schlacht in diesem
    Frühjahr von den Westgoten geführt worden, die von der anderen Seite der Alpen kamen. Unter General Respa
    hatten sie eine weitere römische Streitmacht besiegt, die die Stadt Ticinum besetzt hielt. Sie schlugen dort auch ihr Lager auf, während sie auf weitere Anweisungen Theoderichs
    warteten.
    Ich fragte vorsichtig: »Wird Alarich behaupten, euch mit zum Sieg verhelfen zu haben und deshalb einen Teil der Beute - möglicherweise einen Teil Italiens - für sich
    beanspruchen?«
    »Ne«, antwortete Theoderich. »Der Alarich unserer Zeit ist nicht so habgierig wie sein Großvater gleichen Namens. Er will seine Herrschaft nicht ausbauen. Wie viele andere unserer zeitgenössischen Könige möchte er, daß das
    römische Reich wieder so ist wie früher, als jedes einzelne Königreich die Sicherheit und die Wohlfahrt der Pax Romana genoß.«
    »Ihr dürft nicht vergessen«, sagte Soas zu mir, »daß viele germanische Herrscher Odoaker unterstützten, als es so schien, als würde er die Glanzzeit Roms zurückbringen. Und nun setzen sie ihre Hoffnungen auf Theoderich. Alarich sandte seine Krieger. Aber sein General Respa überbrachte uns auch Botschaften von Chlodwig, dem König der
    Franken, von dem alten Vandalenkönig Geiserich und sogar von dem jungen Herminafrid, König der Thüringer hoch oben im Norden. Sie alle bekunden ihre Freundschaft und ihr Wohlwollen und bieten uns jegliche Unterstützung an, die wir verlangen.«
    General Herduich grinste breit

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