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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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meinen Befehlen zu gehorchen. Er müßte nur
    seine Schiffe aus meiner Reichweite bringen.«
    »Und solch eine Abfuhr«, bemerkte Ibba unnötigerweise,
    »würde Theoderich in den Augen seiner zukünftigen
    Untertanen mehr erniedrigen als die verheerendste
    Niederlage.«
    Theoderich fuhr fort: »Ich habe schon erwogen, von der See her zu kommen und zu landen, oder mit Katapulten vom Meer aus Ravenna anzugreifen. Als letzten Ausweg zog ich eine Blockade der Häfen in Betracht, um die
    Lebensmittelzufuhr abzuschneiden. Doch nein, es geht
    nicht. Lentinus hat mir freundlicherweise schon einen
    Gefallen getan, indem er mir seine schnellsten Schiffe geliehen hat, um Boten zwischen Aquileia und
    Konstantinopel hin- und herzutransportieren. So erfuhr ich von Zenos Krankheit. Doch mehr kann ich von Lentinus nicht erbitten oder gar verlangen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich kann dir keinen anderen Rat geben. Belagere Ravenna, wenn du willst, sobald
    unsere Heere nach Flaminia gelangen. Es wird nichts
    nützen, Odoaker wird sich weiterhin verbarrikadiert halten, und du willst ihn doch herauslocken. Vielleicht wird Odoaker, wenn wir Eroberer uns niederlassen und außer dem
    Sumpfgebiet jeden Morgen italienischen Bodens friedlich bebauen, schließlich erkennen, daß er geschlagen ist, und freiwillig herauskommen.«
    »Habai ita swe«, sprach Theoderich, doch diesmal nicht im Befehlston, sondern so, als wolle er das Schicksal
    beschwören.
    Die nun folgenden Schlachten waren eher flüchtige
    Angelegenheiten und rasch vorüber, ohne daß es auf beiden Seiten bedeutende Verluste gegeben hätte. Die römischen Legionen, ihres Heerführers beraubt und von ihrem König verlassen, waren verständlicherweise ungehalten und
    entmutigt. Als wir südwärts der Halbinsel entlang vorrückten, stellte sich uns niemand entgegen, und als wir an die
    römischen Verteidigungsanlagen kamen und unsere
    hochmütige Forderung »tributum aut bellum«
    vorausschickten, brachten sie eben nur so viel Widerstand auf, daß sie nachher nicht zugeben mußten, sie hätten sich kampflos ergeben. Doch ergeben haben sie sich.
    Ende August beherrschten wir rechtens das ganze Land
    Italien - außer Odoakers Zufluchtsort Ravenna -, obwohl Theoderich beschloß, östwestlich die Via Aemilia hinab nicht weiter vorzurücken als die halbe Distanz zwischen der
    venetischen Grenze Italiens und dessen Herzstadt Rom.
    Wie aus Konstantinopel berichtet wurde, lag Zeno immer noch krank darnieder, und es stand jeden Tag schlechter um ihn. Es war jedoch kein Nachfolger benannt. Da Theoderich im Reich noch nicht als König Roms ausgerufen werden
    konnte und da er es tugendhaft ablehnte, die Macht dieses Amtes für sich in Anspruch zu nehmen, fehlte ihm die
    Autorität, Gesetze zur Regierung der von ihm eroberten Gebiete zu erlassen und zu verwirklichen. Er rief jedoch das Kriegsrecht aus und legte bestimmte Regelungen fest, die die Ordnung im Staate sichern sollten. Diese Regelungen waren keineswegs streng, was Theoderichs neue
    Untertanen überraschte und ihnen gefiel. Sie waren
    bezeichnend für den gütigen Despotismus, mit dem
    Theoderich sein Reich später regieren würde.
    Ich möchte behaupten, daß es in unserer Geschichte
    keinen Eroberer gibt, der seinen neu dazugewonnenen
    Untertanen so viel Sorge und Aufmerksamkeit
    entgegenbrachte wie Theoderich. Umgekehrt brachte das
    italienische Volk seinem Eroberer so viel Vertrauen, Respekt und Zuneigung entgegen wie noch keinem Eroberer zuvor.
    Damit meine ich nicht nur das lange unterdrückte gemeine Volk. Selbst der hochgestellte Lentinus, Nauarch der
    Adriatischen Flotte der römischen Kriegsmarine, verließ seinen Posten in Aquileia, um bei Theoderich vorzusprechen und ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, der sich für uns als außerordentlich hilfreich erweisen sollte.
    Während Theoderich mit der Aufstellung seiner
    Besatzungstruppen, der Ausrufung des Kriegsrechts und all den anderen Verwaltungsangelegenheiten der
    Kriegsführung beschäftigt war, hatte General Herduich den Auftrag erhalten, Odoakers Ravenna zu belagern - oder
    zumindest teilweise zu belagern, denn wie ich
    vorausgesehen hatte, boten die Sümpfe um die Stadt keinen festen Boden, auf dem man Katapulte oder ein Heer von
    Bogenschützen hätte aufstellen können. So konnte Herduich seine Infanterie nur in einer langen, dünnen Linie nördlich und südlich um die landeinwärts gelegenen Stadtgebiete herum aufstellen. Diese Männer konnten nichts

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