Der Greif
in die Zange nehmen, das versucht, zwischen ihnen durchzukommen. Jede Kiste ist mit vier
Zeltgemeinschaften von Speerwerfern besetzt, die auch mit Schwertern bewaffnet sind: genug, um ein Handelsschiff zu entern und dessen Besatzung zu überwältigen.«
»Hatten die Männer schon das Vergnügen, ein feindliches Schiff anzugreifen?« fragte ich.
»Nein, noch nicht, und ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird. Seit unsere Schiffe die Küste kontrollieren, kam nur eines jener riesigen Getreideschiffe und danach noch eine Reihe kleiner Boote, die von einer Galeere
gezogen werden, in die Nähe des Hafenbeckens. Als sie
den glitzernden Stahl sahen, der da auf sie wartete, segelten sie wieder aufs Meer hinaus. Ich möchte behaupten, daß Ravenna die längste Zeit von der See her versorgt wurde.«
Jetzt grinste Lentinus übermütig. »Außerdem bereiten wir gerade noch etwas vor, das Odoakers bequemes Leben
etwas ungemütlicher gestalten dürfte. Wir werden die Nacht hier bei den Trupper verbringen, Saio Thorn. Morgen früh reitet Ihr mit mir an der Besatzungslinie entlang, bis zu der Stelle, an der sie auf den Flufi stößt. Dort zeige ich Euch etwas viel Unterhaltsameres als schwimmende Kisten.«
Ich war davon ausgegangen, daß wir wieder auf die Via
Popilia zurück müßten, um Ravenna zu umreiten, aber es stellte sich heraus, daß unsere Soldaten - weil sie gerade nichts anderes zu tun gehabt hatten - durch das Moor und den Treibsand einer festen Pfad abgesteckt hatten. Daher konnten wir am nächster Tag fast so schnell und bequem über Land reiten, als wären wir auf der schadhaften
Hauptstraße. Der Pfad führte uns landeinwärts und
schließlich über die Sumpfstraße, auf der ich die polybischen Signale beobachtet hatte. Wir überquerten sie allerdings weitaus näher an den Stadtmauern Ravennas, die wir ir der Ferne erkennen konnten. Dann kamen wir zum Fluß, der
unsere Belagerungslinie unterbrach, aber die Reihe der Soldater wurde am anderen Ufer fortgesetzt. Auf dieser Seite war eine größere Anzahl unserer Männer mit nackten Oberkörpern in der Hitze schwitzend dabei, das Projekt auszuführen, das Lentinus mir vorführen wollte.
»Dies ist der südlichste Mündungsarm des Po«, sagte er.
»Er gabelt sich östlich von hier in zwei Abzweigungen und fließt um Ravenna herum ins Meer. Der Kanal wurde von
Menschenhand geschaffen, damit die Stadt mit Wasser
versorgt wird. Wie Ihr sehen und riechen könnt, ist das Wasser des Flusses nicht sehr sauber, weil es durch die Sümpfe fließt. Doch es ist Ravennas einzige
Wasserversorgung, weil das Aquädukt der Stadt schon vor langer Zeit zerfiel. Das Wasser fließt also an den
Stadtmauern entlang und wird hie und da durch niedrige Brückenbögen in das Netz der Kanäle geleitet, das sich durch die ganze Stadt zieht. Ich will über diese Kanäle eine kleine Überraschung in das Innere der Stadt schmuggeln.«
Bewundernd sagte ich: »Für einen neutralen Beobachter, Nauarch, scheint Ihr doch ziemlich dem Eroberungsgeist verfallen.
Bauen die Männer dort drüben Boote? Sie sehen zu
zerbrechlich aus, um Soldaten zu tragen.«
»Ja, es sind Boote, aber unbemannte, deshalb brauchen
sie nicht sehr stabil zu sein. Und sie sind absichtlich so klein gebaut, damit sie unter den niedrigen Mauerbögen der Stadt hindurchpassen.«
»Weshalb weisen sie dann Mast und Segel auf? Sind das
keine Hindernisse?«
Mit einem fröhlichen Grinsen antwortete Lentinus: »Sie werden verkehrt herum hineinsegeln. Wie jedes Boot
schwimmt auch dieses auf der Wasseroberfläche, allerdings mit dem Segel unterhalb der Wasserlinie. So wird es von der Strömung schnell vorangetrieben und läuft nicht Gefahr, sich am Ufer im Schilfrohr zu verfangen oder sich unter einem Bogen oder in einem engen Kanal querzustellen.
Währenddessen trägt die flache Aushöhlung über der
Wasserlinie die Fracht.«
»Sehr geistreich«, murmelte ich und meinte es auch so.
»Die Erfindung stammt nicht von mir. Die alten Griechen, als sie noch kriegerisch waren, nannten es khele, die Krebsschere. Wenn eine feindliche Flotte in einem ihrer Häfen ankerte, schickten sie die Khele-Boote heimlich
flußabwärts, damit sie die Flotte infiltrierten und sich von unten wie Krebse an den feindlichen Schiffen
festklammerten.«
»Festklammern - womit?« fragte ich. »Woraus besteht die Fracht?«
Er zeigte es mir, denn eine der fertigen Krebsscheren
wurde gerade beladen. »Wir Seeleute nennen
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