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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Narr von mir, daß ich zwischen zwei sich zankenden Bischöfen vermittle? Ein ganzes Land wartet darauf, von mir regiert zu werden, und man gibt mir nicht einmal die rechtmäßige Befugnis dazu. Ich weigere mich zu glauben, daß ein Streit unter Geistlichen Priorität hat.«
    »Soweit ich weiß«, sagte Festus sanft, »geht es um die Monophysiten in der Ostkirche. Gelasius betrachtet sie als subversive Elemente und beschuldigt Akakios, ihnen
    gegenüber allzu tolerant zu sein. Die Monophysiten glauben nämlich, daß die göttliche und menschliche Natur des
    Erlösers...«
    »Jesus Christus! Schon wieder diese pedantischen
    Wortklaubereien! Die Bauern würden sagen, sie streiten um den Schatten eines Esels. Skeit! Das Christentum besteht nun seit fast fünfhundert Jahren, und immer noch nehmen die Väter der Christen keine Notiz von der Welt um sie herum. Stattdessen ergehen sie sich in theologischen
    Haarspaltereien. Sie geben vor, weise zu sein und
    gewichtige Fragen zu diskutieren, doch wissen sie nicht einmal, wie sie sich nennen sollen. Pontifex! Weiß Gelasius nicht, daß ein Pontifex ein heidnischer Oberpriester war?
    Und Kardinale! Wissen die nicht, daß Cardea die heidnische Göttin der Türschwellen war? Beim Styx, wenn Anastasius die christliche Kirche verbessern will, soll er mit der höllischen Unwissenheit der Christen anfangen!«
    »Laßt uns auf unsere heutigen Angelegenheiten
    zurückkommen«, sagte der Senator. »Theoderich, wenn
    Anastasius Euch Rom nicht gibt, überlaßt doch Rom diese Aufgabe. Jeder weiß, daß Ihr der neue König seid -
    kaiserlicher Befehl hin oder her. Obwohl Rom nicht die Hauptstadt ist, kann ich den Senat sicher davon
    überzeugen, Euch dort einen Triumph zu gewähren und...«
    »Nein«, sagte Theoderich barsch.
    »Warum nicht?« fragte Festus leicht gereizt. »Rom, die Ewige Stadt, gehört Euch, doch wie ich höre, habt Ihr sie Euch bislang noch nicht einmal aus der Ferne angesehen.«
    »Und das werde ich auch jetzt nicht tun«, gab Theoderich zurück. »Ich habe mir geschworen, daß ich keinen Fuß in die Stadt setze, bevor ich nicht König von Rom bin. Und König kann ich nicht sein, bevor ich nicht in Ravenna
    einmarschiere und dort den Triumph feiere. Hätte
    Anastasius mir gewährt, was mir zusteht, ich hätte gewartet, bis Odoaker sich ergibt. Doch nun werde ich nicht länger warten.« Er wandte sich an mich. »Saio Thorn, du kennst diese Gegend am besten. Reite zurück nach Ravenna.
    Finde heraus, wie dieser Feigling Odoaker so lange hat durchhalten können. Dann denk darüber nach, wie ich ihn am besten da herausbekomme. So sei es!«
    10
    »Was soll ich sagen?« Lentinus zuckte die Achseln.
    »Vielleicht essen die da drin einander auf. Ich kann nur berichten, daß die Blockade nicht ein einziges Mal
    durchbrochen wurde, weder zu Land noch zu See.«
    Ich ließ ihn weiter so verdrießlich auf Ariminums Hafen starren und hing meinen eigenen Gedanken nach. Von einer Marmorbank aus betrachtete ich leeren Blickes das stolzeste Monument der Stadt, den Triumphbogen des Augustus,
    ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Wie konnte eine Stadt von der Größe Ravennas es so lange ohne die Zufuhr von
    Lebensmitteln aushaken? Nur drei Dinge gelangten
    ungehindert in die Stadt: Das eine war der Po, doch unsere khelai-Schreiner hätten es sicher gemerkt, wenn jemand versucht hätte, diesen Weg zu nehmen. Das zweite waren die See- und Sumpfvögel, doch ich bezweifelte, daß
    Odoaker wie Elia von den Vögeln gefüttert wurde.
    Schließlich gab es noch die Fackelzeichen. Diese wurden von der Bevölkerung Ravennas in ihrer Isolierung vom Rest der Welt vermutlich begierig erwartet, doch sie konnten niemanden ernähren...
    Inzwischen marschierte Theoderich entschlossen mit einer beträchtlichen Streitmacht auf die Stadt zu und erwartete von mir einen Rat, wie er seine Soldaten am besten
    einsetzen sollte. Ich wußte nicht, welchen Rat ich ihm geben sollte...
    Nun, sagte ich mir, etwas hatte ich noch nicht getan: Ich hatte den nördlichen Endpunkt unserer Belagerungslinie noch nicht persönlich inspiziert.
    Der für diesen Abschnitt der Belagerungslinie zuständige Mann hieß Gudahals, sprach Latein und trug den Titel eines Zenturio regionarius. Er sah aus wie ein Ochse, war träge wie ein Ochse und - wie sich bald herausstellen sollte - er besaß auch die Intelligenz eines Ochsen. Andererseits - wer sonst sollte diese öde Arbeit übernehmen und eine
    langweilige Belagerung überwachen, bei der

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