Der Greif
einem Dorf aufmachten.
Tavernen waren sehr beliebt.
Odoaker war durch die Signale seiner Kundschafter
zweifellos über alles informiert, was bei uns geschah. Sicher war er sich auch bewußt, daß sein ehemaliges
Herrschaftsgebiet ihm nicht mehr gehörte und ihm nie mehr gehören würde. Außerdem mußte das Leben hinter
Ravennas Mauern langsam unerträglich sein. Jeder
vernunftbegabte Mensch hätte mittlerweile über einen
Waffenstillstand verhandelt. Noch ein Winter ging vorbei, und kein Laut, kein Bote kam aus den Mauern der Stadt.
Ravenna gab nicht auf.
Da die Siegesveteranen sich nun größtenteils als
Grundbesitzer niederließen und nur zu den Waffen griffen, wenn es unbedingt notwendig war, brachten viele - mit
Theoderichs Erlaubnis und Unterstützung, sogar auf dessen Rat hin - ihre Familien von Moesien nach Italien. Die Kähne, die zuvor unseren Militärbedarf die Donau und die Save hinauftransportiert hatten, waren nun mit Greisen, Frauen und Kindern und Haushaltswaren beladen. Vom Quellfluß
der Save in Noricum Mediterraneum an reisten die Familien über Land, in Wagenkolonnen, die von den Quartiermeistern des Heeres bereitgestellt worden waren, durch Venetien und weiter zu ihrem jeweiligen Reiseziel.
Doch es gibt noch andere Dinge, die ich bezüglich dieser Ansiedlungen erwähnen sollte. Als Theoderich damit
begann, das Land unter seinen Kriegern zu verteilen,
zitterten die Geistlichen in der Annahme, daß ein
»verdammenswerter Arianer« sich selbstverständlich, nach Rache dürstend und frohlockend, des Grunds und Bodens
der Kirche und ihrer persönlichen Besitztümer bemächtigen würde. Tatsächlich ging das Gerücht um, daß der Patriarch Roms, Felix III., als Folge dieser Ängste einem Schlaganfall zum Opfer fiel. Doch ganz nach Odoakers Beispiel unterließ es Theoderich, den Besitz der Kirche auch nur anzutasten, was die Kleriker allerdings nicht hinderte, ihn trotzdem zu verdammen. Dieselben Priester und Bischöfe, die auf den Katholiken Odoaker Loblieder angestimmt hatten, weil er die
»Heiligkeit« ihres Besitzes respektierte, behaupteten nun, Theoderich wage es nicht, ihren Besitz zu beschlagnahmen.
Er sei nicht nur ein verachtenswerter Feind, sondern auch ein Feigling. Wie dem auch sei - Patriarch Felix starb jedenfalls. Sein Nachfolger war ein mürrischer, alter Mann namens Gelasius, der Theoderich neue Sorgen bereitete.
»Bischof Gelasius, oder der Pontifex, wenn Ihr so wollt«, sagte Senator Festus, »steht in Konstantinopel in
schlechtem Rufe.« Der Senator war gerade von seiner
Mission in Konstantinopel zurückgekehrt und zu Theoderich geführt worden. Dies waren seine ersten Worte. Wir starrten ihn alle erstaunt an.
»Was im Namen Plutos schert mich das?« entgegnete
Theoderich. »Ihr wolltet die Frage meiner Anerkennung zum Abschluß bringen. Ist Euch das gelungen?«
»Nein«, antwortete Festus. »Ich wollte Euch schonend
erklären, weshalb Anastasius Euch die Anerkennung
verweigert.«
»Verweigert?«
»Nun, vorenthält. Er behauptet, daß Ihr Eure neuen
Untertanen nicht regieren könnt, solange Ihr nicht mit einem streitsüchtigen Bischof fertig werdet und...«
»Senator«, unterbrach Theoderich ihn mit eisiger Stimme.
»Verschont mich mit langen Reden und Vornehmtuerei. Ich bin am Ende meiner Geduld.«
Jetzt begann Festus schnell zu sprechen. »Es scheint,
daß Gelasius' erste Handlung als Patriarch von Rom darin bestand, daß er seinen Amtsbruder Akakios, den
Patriarchen von Konstantinopel, öffentlich anklagte. Papst Gelasius hat den Eindruck, daß Bischof Akakios sich
schändlichen Elementen in der Ostkirche gegenüber allzu tolerant verhielt. Der Pontifex verlangt nun die Streichung aus den Diptychen, jenen Listen der Christenväter, denen die Gebete der Gläubigen gelten sollen. Wie ich erfuhr, verbreiten seine Kardinale diese Nachricht im gesamten westlichen Christentum. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, hat dies eine Welle der Entrüstung in Konstantinopel ausgelöst.
Anastasius behauptet, er zögere, Euch zum Theodericus
Rex Romani zu ernennen, während seine eigenen
aufgebrachten Untertanen danach trachten, daß Rom in
Schutt und Asche gelegt und alle Römer in die Hölle
verbannt würden. Das behauptet er jedenfalls. Natürlich ist es nur ein willkommener Grund für ihn, Eure
Anerkennung...«
»Skeit!« bellte Theoderich und ließ seine Faust auf die Armlehne seines Stuhls herniederfahren, so daß sie fast zerbrach. »Erwartet der alte
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