Der Greif
geschickte Heiratspolitik mit vielen benachbarten Königshäusern verbunden hatte, war es gelungen, anhaltenden Frieden zwischen seinem und ihren Reichen zu schaffen. Doch damit waren die Streitereien zwischen diesen Völkern untereinander noch lange nicht beigelegt. Und jetzt bahnte sich zwischen einem Schwager und einem Schwiegersohn von Theoderich eine
Auseinandersetzung an.
Clovis, König der Franken, und der westgotische König
Alarich beanspruchten beide einen bestimmten Streifen
Land an der Loire, die die Grenze ihrer jeweiligen
Herrschaftsbereiche von Gallien und Aquitanien markierte.
Einige Jahre lang war es immer wieder zu kleineren
Grenzstreitigkeiten gekommen - harmloses, von kurzlebigen Waffenstillständen und Friedensverträgen unterbrochenes Geplänkel. Nun aber rüsteten beide Königreiche für einen bevorstehenden Krieg. Theoderich tat sein Bestes, um als neutraler Unterhändler zwischen den beiden mit ihm
verwandten Königen zu vermitteln, und sandte zahllose
Emissionäre zu Alarich in Tolosa und Clovis in seiner neuen Hauptstadt Lutetia. Aber die beiden blieben unversöhnlich.
Als sich herausstellte, daß ein Krieg unausweichlich war, schlug sich Theoderich auf Alarichs Seite. Es muß ihn sehr geschmerzt haben, gegen das Volk und den Bruder seiner Frau Audefleda zu ziehen. Aber mit dem Balten Alarich und den Westgoten verbinden uns Ostgoten mehr als nur
verwandtschaftliche Bande.
Doch unsere Soldaten mußten kaum kämpfen. Noch bevor
sie zu den westgotischen Einheiten stoßen konnten, war Alarich in der Schlacht nahe dem Städtchen Pictavus
gefallen, und die Westgoten schienen den Krieg verloren zu haben. Aber kaum trug unsere Armee ihren ersten Angriff auf die fränkischen Linien vor, als Clovis die Waffen
niederlegte und um Frieden bat. Im Tausch gegen das, was er bisher erobert hatte - eben jene umstrittenen Gebiete -, bot er dem neuen König der Westgoten, Amalrich, ein
dauerhaftes Bündnis an. Kurz nachdem unsere Generale
Tulum und Odoin Clovis' Bedingungen und seinen Schwur
angenommen hatten, zogen sich sowohl die Franken als
auch die Westgoten zurück. Unsere eigene Armee kehrte
heim nach Italien, ohne auch nur einen Tropfen Blut
vergossen zu haben.
Das wichtigste aber war, daß der neue König der
Westgoten, Alarichs Sohn Amalrich, zu jener Zeit noch ein Säugling war. Da er zu jung war, ging die Regierungsgewalt auf seine Mutter, Königin Thiudagotha, über. Da
Thiudagotha Theoderichs Tochter und Amalrich sein Enkel war, bedeutete dies nicht mehr und nicht weniger, als daß Theoderich jetzt auch Herrscher über die Westgoten war.
Westgoten und Ostgoten waren zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten vereint unter einem König. Theoderichs
Macht erstreckte sich damit über alle an das Mittelmeer grenzenden Lande, von Pannonien und Dalmatien über
Italien und Aquitanien bis nach Hispanien. Jetzt brauchte man endgültig nicht mehr vom ehemaligen weströmischen
Reich zu reden, sondern man nannte es zutreffender - und mit Stolz - das Königreich der Goten.
5
Mein Handel mit Sklaven erwies sich als sehr einträglich und verlangte mir nur wenig Zeit ab. Zeit, die ich angesichts meiner sonstigen Pflichten auch kaum hätte erübrigen
können. Meine Arbeiter in Novae zogen zwei oder drei
Jahrgänge gut ausgebildeter und wohlerzogener Sklaven
heran, die den durchschnittlichen Sklaven in römischen Haushalten weit überlegen waren und ansehnliche Preise erzielten. Doch dann sandte Meirus mit einer seiner
Lieferungen von Noviodunum einen jungen Griechen, keinen Jugendlichen mehr, sondern einen erwachsenen Eunuchen.
In einem Begleitbrief empfahl er mir, diesem Sklaven
besondere Beachtung zu schenken.
»Er heißt Artemidorus«, stand in dem Brief, »ein
ehemaliger Sklavenmeister an dem zweitrangigen Hof eines gewissen Prinzen Balash von Persien. Du wirst sehen,
Artemidorus ist wirklich kundig, was die Ausbildung
erstklassiger Sklaven angeht.«
Nachdem ich Artemidorus eine Reihe von Fragen über
seine Lehrmethoden gestellt hatte, wollte ich abschließend wissen: »Wie stellst du fest, ob und wann ein Sklave
ausreichende Kenntnisse und Fertigkeiten erlangt hat und verkauft werden kann?«
Die klassische Nase des Griechen kräuselte sich
hochmütig, als er mir antwortete: »Kein Sklave verläßt meine Schule jemals wirklich. Alle mir Anvertrauten lernen natürlich in der einen oder anderen Sprache lesen und schreiben.
Und egal wohin sie verkauft werden, sie
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