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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hätte seinen Verstand verloren, als er Johannes zu dieser Mission zwang. Dasselbe denke ich auch jetzt.
    Aber vielleicht irre ich mich ja. Schließlich bin ich der Letzte, der dem Schwur eines Kirchenmannes Glauben schenken
    würde. Oder dem Justinus', Theodoras oder Justinians. Was für eine Versammlung. Ein des Lesens unkundiger
    Abklatsch von einem Kaiser, eine bekehrte Hure und ein zukünftiger Kaiser, der weder Fleisch ißt noch Wein trinkt.
    Würdest du ihren Beteuerungen glauben?«
    »Nein, aber deswegen gleich den Erzbischof von Rom
    einzusperren? Johannes mag vielleicht nicht so großartig und mächtig sein, wie er gerne annimmt. Aber unzählige Christen in Theoderichs Reich verehren ihn als ihren Papst.
    Und sie werden toben, wenn sie erfahren, was passiert ist.«
    »Ich weiß, ich weiß«, seufzte ich. »Deshalb kam ich ja zurück nach Rom. Ich möchte den Rat eines erfahrenen
    Mannes einholen. Ich wollte bei dir nur kurz ausruhen nach dieser langen Reise, ein wenig Halt an deiner sanften
    Schulter finden.« Ich stand auf und klopfte meine staubige Tunika ab. »Ich werde jetzt den alten Senator Symmachus aufsuchen. Wenn irgend jemand, dann ist er es, der einen Ausweg aus dieser...«
    Livia schüttelte den Kopf. »Du wirst Symmachus nicht
    mehr antreffen.«
    »Oh vai. Weilt er nicht in Rom?«
    »Nicht auf Erden. Vor ein paar Tagen entdeckte sein
    Verwalter seinen Leichnam. In seinem Vorgarten, gleich neben dieser häßlichen Bacchusstatue. Die Wache hier am Tor hat mir davon berichtet. «
    Ich war bestürzt.
    »Die Wachen haben niemanden, mit dem sie sprechen
    können. Manchmal erzählen sie mir, was draußen passiert.«
    »Wahrscheinlich starb er an Altersschwäche«, sagte ich, doch schenkte ich meinen eigenen Worten keinen Glauben.
    »Nein. An zahllosen Messerstichen.« Sie hielt inne und fügte hinzu: »Auf Theoderichs Anordnung hin, munkelt
    man.«
    Genau das hatte ich befürchtet. Ich versuchte, Livia - als ob sie etwas ändern könnte - vom Gegenteil zu überzeugen.
    »Theoderich und Symmachus schätzten einander
    ungemein.«
    »Ja, bis Theoderich Boethius' Tod zuließ.« Sie brauchte mich nicht daran zu erinnern. Symmachus hatte Boethius wie seinen eigenen Sohn erzogen, belehrt und geliebt. »In den letzten Monaten klagte er bitterlich. Symmachus hätte durchaus genügend Macht besessen, einen Aufstand gegen Theoderich anzuzetteln.«
    »Und deswegen hat Theoderich ihn aus dem Weg
    geräumt«, sagte ich leise. »Wahr oder nicht wahr, das wird erhebliche Unruhe stiften. Ich machte mir schon Sorgen, als Theoderich sich mit den katholischen Christen hier und in den anderen Nationen überwarf. Jetzt hat er auch noch den Senat, die ersten Familien Roms und das Volk gegen sich stehen. Selbst die ihm am treuesten ergebenen Goten
    werden jetzt um den Kopf auf ihrem Hals fürchten.« Geknickt verabschiedete ich mich von Livia. »Ich muß hinaus und hören, was das Volk sagt. Aber ich werde bald zurücksein und deiner sanften Schulter bedürfen.«
    »Geredet?!« rief Ewig. »Natürlich wird geredet, Saio
    Thorn, und zwar über nichts anderes. Allgemein ist man der Ansicht, Theoderich sei nun vollends dem Wahnsinn
    verfallen. Jeder noch so unbedeutende Vorfall, der als Beweis dafür herhalten kann, verbreitet sich, wie Ihr
    sicherlich schon bemerkt habt, wie ein Lauffeuer über das ganze Land. Vor allem die Bauern haben
    Verständigungsmittel, die Neuigkeiten rascher noch als berittene Boten oder Schnellsegler weiterleiten. Ich kann Euch zum Beispiel in dieser Minute sagen, was gestern im Palast zu Ravenna vorfiel.«
    »Ist denn etwas passiert?« fragte ich erschreckt.
    »Dem König wurde ein zart zubereiteter Padus-Fisch zum Nachtmahl serviert und...«
    »Liufs Guth! Werden jetzt schon Gerüchte über seine
    Auswahl an Speisen in die Welt gesetzt? Wen um alles in der Welt interessiert...«
    »Wartet, es geht noch weiter. Der König soll entsetzt von dem Teller zurückgewichen sein. Angeblich sah er keinen gekochten Fisch vor sich, sondern das Gesicht eines toten Mannes. Das Gesicht seines alten Freundes und Vertrauten Symmachus, der ihn anklagend anstarrte. Theoderich, sagt man, rannte schreiend aus dem Saal.«
    »Sagt man. Wird dem Glauben geschenkt?
    »Bedauerlicherweise ja.« Niedergeschlagen berichtete
    Ewig weiter. »Saio Thorn, schon wird unser geliebter König und Kamerad nicht mehr ›der Große‹, Theoderich Magnus, sondern Theoderich Madidus, ›der Rasendes‹ genannt.«
    »Aber doch nicht wegen

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