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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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dieser Fischgeschichte?«
    »Nein, nicht nur. Heute mittag traf ein berittener Bote aus Ravenna ein, der ein königliches Dekret mit sich führte. Wart Ihr heute schon am Forum, Saio Thorn?«
    »Noch nicht. Ich wußte, du würdest mir verläßlichere
    Informationen als jeder Senator oder...«
    »Ihr erinnert Euch doch daran, wie wir gemeinsam zum
    Tempel der Concordia gingen, um das Diurnal zu studieren.
    Nun, ich kann immer noch nicht lesen, aber dieses neue Dekret hängt dort aus. Die Leute strömen aus allen Teilen der Stadt herbei, um es zu studieren. Ich denke, ich werde bald erfahren, welch üble Neuigkeiten...«
    »Zum Warten ist jetzt keine Zeit.« Ich packte Ewig am
    Ärmel. »Komm!«
    Ewig, jünger und sehr viel beleibter als ich, bahnte mir einen Weg durch die Menschentraube, die sich um den
    Tempel versammelt hatte. Die Leute zeterten und murrten, aber nicht, weil wir so rüde drängelten, sondern wegen dem, was im Diurnal verkündet wurde. Das Dekret umfaßte viele Papyrus-Blätter, was kein Wunder war, schließlich hatte es Cassiodor in seiner blumigen Sprache abgefaßt. Meine
    Erfahrung in der Lektüre von Cassiodors Schriften erlaubte mir, die Blätter nur zu überfliegen und nur die wichtigen Stellen zu lesen. Als ich fertig war, nickte ich Ewig zu, und wir schoben uns durch das Gedränge hinaus.
    Als wir einigermaßen zerzaust ein ruhigeres Eckchen auf dem Forum erreichten, sagte ich bestimmt: »So kann das nicht weitergehen, Ewig. Wir müssen unseren König und
    Kameraden retten, und zwar vor sich selbst. Theoderich muß jetzt und für immer als ›der Große‹ bekannt bleiben.«
    »Ihr braucht mir nur zu befehlen, Saio Thorn.«
    »Hier können wir nichts ausrichten. Ich muß nach
    Ravenna gehen, zu Theoderich. Ich werde nicht mehr nach Rom zurückkehren, aber da gibt es einige Dinge, die du später für mich tun könntest...«
    »Ihr braucht mir nur zu befehlen, Saio Thorn. Schickt mir eine Nachricht und ich werde gehorchen. Alle, die den König jemals geliebt haben, werden Euch dankbar sein, wenn es Euch gelingt, seinen großen Namen zu retten.«
    »Livia, willst du frei sein?«
    Sie blinzelte überrascht und blickte mich dann lange und ruhig an. Wie leuchtend blau ihre Augen noch immer waren, auch wenn die Schönheit ihres Gesichtes verblaßt war. »Frei wozu?« fragte sie halb belustigt, halb erschreckt.
    »Mit mir wegzugehen. Morgen schon. Ein treuer
    ostgotischer Freund wird den Verkauf meines Hauses sowie meiner Sklaven und sonstigen Besitztümer in die Hand
    nehmen und mir nachsenden, worauf ich nicht verzichten möchte. Er könnte dir denselben Dienst erweisen. Komm
    mit!«
    »Wohin? Nach Ravenna?«
    »Zuerst Ravenna. Dann, falls ich meine Audienz bei
    Theoderich überlebe, könnten wir, dachte ich, nach
    Hausthats weiterziehen. Dorthin, wo wir uns kennengelernt haben. Jetzt im Hochsommer muß es dort wunderschön
    sein. Und ich bin sehr neugierig zu sehen, ob die Namen, die ich ins Eis geritzt habe, noch an derselben Stelle stehen.«
    Livia lachte freundlich. »Wir sind zu alt und gebrechlich, mein Lieber, um noch auf einem Eisfluß in den Höhen des Dachsteins herumzutollen.«
    »Vielleicht sind die Namen uns mit dem Eisfluß ein Stück bergabwärts entgegengekommen? Livia, ich sehne mich seit langem danach, die Hallstatt wiederzusehen. Je mehr ich zurückdenke, desto verklärter erscheinen die Erinnerungen, und desto lieber möchte ich den Rest meiner Tage in jenem Tal verbringen - mit deiner sanften Schulter an meiner Seite.
    Und? Was sagst du dazu?«
    »Wer fragt? Thorn oder Veleda?«
    »Saio Thorn, mit der einem Marschall zustehenden
    Eskorte, wird dich und deine Dienerin bis Ravenna
    begleiten. Dann, nachdem ich vollbracht habe, was ich dort zu tun hoffe, wird Thorn verschwinden. Veleda wird es sein, die als deine einzige Begleitung den restlichen Weg bis zur Hallstatt neben dir reiten wird. Danach... du und ich... nun...«
    Ich umarmte sie. »Wir sind alt und wir sind Freunde. Laß uns alte Freunde sein.«
    10
    »Erinnere dich, Thorn. Wann immer wir loszogen, etwas
    zu zerstören, waren wir über die Maßen erfolgreich. Wann immer aber wir etwas aufbauen und erhalten und verewigen wollten, scheiterten wir kläglich.« Diese melancholischen Worte waren fast die letzten, die ich Theoderich sagen hörte.
    »Nicht kläglich, Theoderich, noch nicht«, wandte ich ein.
    »Und selbst wenn wir versagen sollten, so ist doch der Versuch, Großes zu schaffen, jede Anstrengung wert.«
    Ich

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