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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Mahlzeit besser geschmeckt hat als das einfache Gericht, das Wyrd in jener finsteren Nacht in den kalten, unwirtlichen Hrau Albos für uns zubereitete.
    5
    Obwohl ich auch am nächsten Tag beim ersten
    Morgengrauen erwachte, war Wyrd bereits aufgestanden
    und dabei, dem erlegten Bären das Fell abzuziehen. Ich wünschte ihm mit rauher Stimme einen schönen Tag und
    brachte ihm ungeheißen das Frühstück: Steinbockfleisch, das ich am Feuer aufgewärmt hatte, und Wasser vom Bach.
    Er grunzte beifällig und fuhr mit seiner blutigen Arbeit fort, während er von Zeit zu Zeit einen Bissen Fleisch oder einen Schluck Wasser zu sich nahm.
    Dann machte ich mich geschäftig daran, die Felle, die uns des Nachts als Zudecke dienten, zu Bündeln
    zusammenzurollen, in denen ich unsere anderen
    Habseligkeiten und das Rauchfleisch verstaute. Auch
    versicherte ich mich, daß das Fläschchen mit der Milch der Jungfrau Maria unversehrt war. Als ich damit fertig war, nahm ich mir den abgehackten Kopf des Steinbocks vor.
    Mein Juikabloth hatte zum Frühstück bereits die Augen und die Zunge des Tieres verzehrt, aber mich interessierte das stattliche Gehörn. Mit einem Felsbrocken, der mir geeignet schien, zerschmetterte ich den Schädel. Dann legte ich auf jedes unserer Bündel eines der Hörner und band es fest.
    Wir waren ungefähr gleichzeitig gegen Mittag mit unseren Arbeiten fertig. Als ich den großen Pelz sah, den Wyrd unter dem Arm trug, erschrak ich. Resigniert wartete ich darauf, daß er ihn zu dem Bündel legen würde, das ich tags zuvor getragen hatte. Aber er nickte nur beifällig mit dem Kopf, als er sah, daß ich die Hörner des Steinbocks abgetrennt hatte, und sagte: »Du hast schon genug zu schleppen, Junge, und würdest ohnehin den Gestank nicht ertragen, den dieses Fell bald ausströmen wird, denn ich habe nicht sehr gründlich ausgefleischt, und natürlich habe ich jetzt nicht die Zeit, es aufzuspannen und zu trocknen. Ich dagegen bin an strenge Gerüche gewöhnt, also nehme ich es zu meinem Bündel
    dazu.«
    »Thags izwis«, sagte ich dankbar. »Wollt Ihr noch einen Bären erlegen, Fräuja Wyrd?«
    »Ne, wir haben beide genug zu tragen. Außerdem kenne
    ich keine anderen Bärenhöhlen mehr zwischen hier und
    Basilia. Warum gehen wir also nicht gleich in die Stadt? Das Wetter ist schlecht, laß uns lieber in ein heißes römisches Bad steigen.«
    »Soll ich noch etwas Bärenfleisch abschneiden, für den Fall, daß wir unterwegs Hunger bekommen?«
    »Ne. Wenn ein Kadaver einmal steif geworden ist, bleibt das Fleisch zäh, egal wie lange man es kocht. Laß es
    liegen.«
    »Aber es wäre doch schade, es einfach liegen zu lassen.«
    »In der Natur bleibt nichts liegen, Junge. Dieser Kadaver wird unzählige andere Tiere ernähren, Vögel und Insekten.
    Und wenn ein Rudel Wölfe darauf stößt, wird das Fleisch sie abhalten, uns zu verfolgen. Dasselbe gilt natürlich auch für eine Horde streunender Hunnen.«
    »Ich habe einmal einen Wolf gesehen, der aussah, als
    könnte er einen Menschen mit Leichtigkeit töten«, sagte ich.
    »Einen Hunnen habe ich noch nie gesehen. Wärt Ihr lieber das Opfer eines Wolfs als eines Hunnen, Fräuja?«
    »Beim Styx, auf jeden Fall! Wölfe würden unsere Felle
    zerreißen oder unsere Pferde anfallen, wenn wir welche hätten. Uns selbst würden sie nicht angreifen. Ich weiß nicht, wie die intelligenten und anständigen Wölfe in den Ruf kamen, sie würden Menschen auffressen. Aber ich weiß, wie die Hunnen dazu kamen. Los, Junge, gehen wir!«
    Ich weiß nicht mehr, wie viele Tage wir unterwegs waren.
    Doch fast jeden Tag ging es etwas mehr bergab, und das Wetter wurde zunehmend milder, und fast jeden Tag
    schienen die Bärenfelle auf meinem Rücken etwas leichter zu werden. Wie Wyrd vorausgesagt hatte, gewöhnten sich meine Schultern und mein Rücken an die Belastung, und
    mein ganzer Körper wurde stärker. Ich stolperte nicht mehr schwerfällig hinter Wyrd her, sondern hielt nun mit dem alten Waldläufer Schritt.
    Zuletzt ließen wir den stets grau verhangenen Himmel der Alpen hinter uns. Die Sonne brach immer häufiger zwischen den Wolken hindurch, und es wurde warm. Glücklicherweise gab es in diesen niedrigeren Regionen Wälder, die so dicht waren, daß sie Schatten spendeten, obwohl sie kahl waren, sonst hätte der grelle Widerschein der Sonne auf dem
    weißen Schnee uns geblendet. Wir waren in der römischen Provinz Rhaetia Prima angelangt.
    Wir folgten dem Birsus, einem kleinen

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