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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Mann, daß ich Gudinand sein Frohlocken über das wundervolle
    Mädchen und das wundervolle Erlebnis, das er letzte Nacht gehabt hatte, übelnahm. (Ich erwähne dies nur, um
    klarzumachen, wie vielfältig und verschieden die Gefühle waren, mit denen ich, als noch nicht erwachsener
    Mannamawi, umzugehen lernen mußte.) Ich hätte mich von Gudinands Huldigungen und Lobgesängen auf mein
    anderes Selbst, Juhiza, wirklich geschmeichelt fühlen sollen.
    Aber ich denke, jeder normale Junge, und in diesem
    Moment war ich ein ganz normaler Junge, dem gegenüber
    ein anderer Junge mit einem Liebesabenteuer prahlt, und der mit keiner gleichwertigen Prahlerei dagegenhalten kann, wird ein gewisses Maß an Neid auf die Überlegenheit des anderen auf diesem Gebiet verspüren.
    »Liufs Guth, Thorn«, deklamierte Gudinand in einem fort,
    »deine Schwester ist wahrhaft außerordentlich.
    Außerordentlich in ihrer Schönheit, ihrer Freundlichkeit, ihrem Mut, ihren Talenten, ihrer... äh...«
    Er hielt sich zwar geziemlich zurück, was die Einzelheiten anging, doch das half nichts, ich kannte sie ja alle. Neben all den widerstreitenden Gefühlen keimte ein anderes in mir auf, kein normales, sondern ein ziemlich ungewöhnliches.
    Ich mißgönnte meinem Freund Gudinand die Freuden, die er mit mir, aber ohne mich erlebt hatte. Ich weiß, das klingt verrückt. Und ich sagte zu mir selbst: Hör auf damit. Du wirst noch durchdrehen! Es gelang mir, Gudinands Ausführungen mit einer Bemerkung zu unterbrechen: »Ich weiß, Juhiza ist ein liebenswürdiges Mädchen, und ich bin sicher, ihre
    Gesellschaft war sehr erfreulich für dich. Aber das wichtigste ist doch... denkst du, ihre, ähm, Aufmerksamkeiten haben dein Leiden gelindert?«
    Gudinand zuckte hilflos mit den Schultern. »Wie kann ich das wissen? Nur wenn ich nie mehr einen Anfall erleide, kann ich sicher sein.« Er lächelte mir halbherzig zu.
    »Eigentlich sollte ich dankbar sein, an der Fallsucht gelitten zu haben, da sie mir den Genuß eines so überaus
    erinnerungswürdigen Heilmittels verschaffte. Der Liufs Guth weiß, ich sollte so etwas nicht sagen aber ich wünsche mir fast, eine Verabreichung möge sich als nicht ausreichend erweisen.«
    Einen kurzen Moment lang erwachte die in mir
    schlummernde Juhiza und ließ mich sagen: »Nun, wie du
    weißt, bei einigen Leiden verschreibt ein Medicus mehrere Verabreichungen...« Aber ich unterdrückte jedes weitere Gefühl in diese Richtung und fuhr fort: »Meine Schwester und ich haben die Anordnungen unseres Beschützers
    bereits einmal mißachtet. Sollten wir damit fortfahren, wird Wyrd wohl durch das Gerede der Leute davon erfahren.
    Oder er kehrt unerwartet zurück und findet Juhiza nicht in unseren Räumen vor.«
    »Je«, sagte Gudinand verzweifelt. »Ich habe kein Recht, euch beide der Gefahr seines Unmutes auszusetzen.«
    »Jedoch«, sagte ich, »befindest du dich in größerer Gefahr als wir. Falls du einen weiteren Anfall erleidest, verberge es nicht vor mir. Gib mir Bescheid... ich werde Juhiza
    unterrichten... und...«
    Seine Gesichtszüge hellten sich auf, und er lächelte mich breit an: »Laß uns hoffen, daß diese eine Behandlung sich als hinreichend erweist. Ich fühle mich gesünder und
    glücklicher als jemals zuvor in meinem Leben. Das sollte ein gutes Omen sein, oder? Denken wir nicht mehr daran, laß uns einfach der Thorn und der Gudinand sein, die wir waren, bevor all dies sich ereignete. Was meinst du? Womit sollen wir, was von diesem Tag noch übrig ist, verbringen? Sollen wir ein Wettrennen machen oder ringen, auf den See
    hinausfahren und fischen oder zurück in die Stadt gehen und etwas Aufruhr in das Leben der jüdischen Händler bringen?«
    Nur kurz will ich erwähnen, was weiter geschah. Kaum
    eine Woche später erschien Gudinand ausgezehrt und elend an unserem Treffpunkt. An diesem Nachmittag, erzählte er, hatte er während seiner Arbeit in der Grube wieder einen Anfall erlitten, und zwar so plötzlich, daß er kaum Zeit gehabt hatte, sich am Rand der Grube festzuhalten, um
    nicht zu versinken und zu ertrinken. Es tue ihm so leid, es mir berichten zu müssen, aber, das Heilmittel der »sexuellen Initiation« scheine versagt zu haben... oder habe sich doch zumindest als nicht ausreichend erwiesen...
    So war es Juhiza, die ihn am nächsten Abend in dem
    Wäldchen am See traf. Was sich dort ereignete, unterschied sich kaum von dem ersten Zusammentreffen, nur daß die
    Vereinigung diesmal noch stürmischer

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