Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
tragen; denn er hatte nicht erwartet, dass es nötig würde. Jetzt hob er ihn auf und stellte fest, dass der Magier kaum etwas wog. Dann stand er einen Augenblick lang unsicher da. Egal wie dringend Beguchren den Weg hatte fortsetzen wollen, Gerent erblickte jetzt nur noch eine Möglichkeit. Er ging zum Wirt hinüber, der noch immer schlaff auf seinem breiten Stuhl saß und mit großen besorgten Augen zum leeren Himmel hinaufblickte. Gerent musste sich kräftig räuspern, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Dann senkte der fette Mann jedoch die weit aufgerissenen Augen, sah Gerent und seine Last, zuckte zusammen und rappelte sich hastig und ungeschickt auf.
»Der Herr ist krank«, stellte Gerent fest, als wäre das nicht auf einen Blick zu erkennen. »Er benötigt dein bestes Zimmer. Zumindest ein gutes Zimmer, wenn das beste belegt ist. Was immer am schnellsten geht.« Er betonte das vorletzte Wort mit einem kategorischen Tonfall und einem harten Blick.
»Natürlich, natürlich, ja, hochverehrter Herr, wir haben reichlich Platz, alle unsere Zimmer sind gut, falls du den hochverehrten Edelherrn hier entlangtragen würdest ...«, sagte der Gastwirt in einem durchgehenden Atemzug.
Vielleicht stellte er sich vor, von seinem Personal würde erwartet, einen wichtigen, aber gebrechlichen kleinen Fürsten zu hegen, und erhielte später die Schuld zugewiesen, falls irgendetwas schiefging ... Oder vielleicht stellte er sich vor, der hohe Herr stürbe tatsächlich in seinem Gasthaus, und malte sich aus, welche Anschuldigungen darauf womöglich folgten. Gerent glaubte fast, diese Gedanken voll ausformuliert im Kopf des fetten Wirts aufsteigen zu sehen. Eindeutig beklommen fragte der Mann, während er Gerent eine Treppe hinaufführte: »Ist der hochverehrte hohe Herr sehr krank, soweit dir bekannt ist, hochverehrter Herr?«
»Ich denke nicht«, beruhigte ihn Gerent. »Ich werde persönlich für ihn sorgen, hochverehrter Wirt.« Er nahm das Zimmer in Augenschein, das ihm der Wirt anbot, erklärte sich einverstanden, indem er kurz nickte, und setzte mit bewusstem Hochmut hinzu: »Jemand soll Brühe und Tee bringen. Und einen Topf Honig. Und weiches Brot, mit etwas vom Spieß für mich, wenn du es bereit hast. Achte darauf, dass die Pferde meines Herrn gut versorgt werden. Eines hat ein loses Hufeisen. Ein Schmied soll sich alle Hufeisen ansehen. Und lass die Satteltaschen nicht im Stall herumliegen, sondern aufs Zimmer bringen! Ist das alles klar?«
»Völlig klar, hochverehrter Herr«, murmelte der Wirt und zog sich eilig aus dem Zimmer zurück, ehe Gerent noch weitere, möglicherweise schwierigere Forderungen stellen konnte.
Gerent legte Beguchren aufs Bett – wenigstens sah die Bettwäsche sauber aus, und er fand keine unmittelbaren Hinweise auf Wanzen. Dann trat er einen Schritt zurück und blickte Beguchren einen Moment lang an. Er legte ihm den Handrücken auf die Stirn. Schlaff, bleich und kühl war der Mann, und Gerent war kein Heiler. Er konnte ihn wohl kaum dazu überreden, stark und gesund zu werden, wie er Nägel überreden konnte zu halten und Holz, nicht zu splittern. Tehre hätte vielleicht etwas zuwege gebracht. Sie hätte Heilungsmagie womöglich als eine Form der Schaffensgabe behandelt. Falls sie einfach alles als eine Form des Schaffens betrachtete, erklärte das schon ganz gut, warum sie so vielseitig begabt war.
Gerent hatte jedoch nach wie vor keine Idee, wie er jemanden in irgendeiner Form heilen sollte. Falls seine Einschätzung zutraf, brauchte Beguchren nichts weiter als Ruhe und etwas zu essen. Zumindest, bis der nächste Greif vorbeiflog.
Gerent zog Beguchren die Stiefel aus, und da er das Gefühl hatte, entschieden zu weit zu gehen, wenn er ihn noch weiter entkleidete, begnügte er sich damit, die zierliche Gestalt in eine Decke zu wickeln. Es war eine leichte, weiche Wolldecke, besser als man in einem gewöhnlichen Gasthaus hätte erwarten dürfen. Vielleicht hatte der Wirt gar nicht so schrecklich übertrieben, als er sagte, seine Zimmer wären gut. Ein Junge brachte die Satteltaschen, und dann huschte ein Mädchen aufgeregt herein. Die Magd war zu schüchtern, um Gerent anzusehen, wurde rot und erklärte ihm stammelnd im Flüsterton, dass das Abendessen in einer Stunde serviert würde, aber sie ihm das erste Fleisch bringen wollte, das fertig wurde. Sie bemühte sich erkennbar, nicht Beguchren anzusehen, während sie einen Tontopf mit Brühe, einen Teller mit Brot, einen Topf Honig und
Weitere Kostenlose Bücher