Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
in die Länge. Schließlich fragte er: »Gerent, hätte ich es dir gleich sagen sollen? Oder überhaupt jetzt schon? Ich hoffte, du würdest unterwegs lernen, mir ein wenig zu vertrauen. Ich weiß jedoch, dass ich so etwas wie einen kleinen Tod von dir erwarte.«
Gerent bewegte unbehaglich die Schultern, eine kurze Bewegung, die nicht ganz ein Achselzucken wurde. »Fragt Ihr nach einer Analyse, welche Qualität Euer ... Baumaterial hat? Oder Eure Taktik?«
»Beides, vermute ich.« Ungeachtet der betonten Leichtigkeit seiner Stimme lächelte Beguchren nicht.
»Hättet Ihr mich noch mal vertröstet, wäre ich sauer gewesen. Ich bin froh, dass Ihr es mir endlich erzählt habt. Und ich bin froh, dass ich es weiß. Das andere ... wie sollte ich mir darauf einen Reim machen? Ich bin kein Magier; ich habe nur eine entfernte Vorstellung davon, worin die Zauberkunst besteht. Ich habe nie irgendetwas von dem studiert ... was immer Magier studieren.«
»Ich habe mir einen Reim gemacht«, erwiderte Beguchren sanft. »Du verfügst über eine sehr starke Schaffensgabe, aber man findet auch andere Schaffende mit starkem Talent. Es ist jedoch nicht deine Befähigung, woran ich interessiert bin. Es ist deine Bereitschaft, die ich einschätzen kann und muss. Also, begleitest du mich nun bis an den Rand der Wüste?«
Gerent konnte sehen, dass der Magier mit einer positiven Antwort rechnete. Stattdessen entgegnete Gerent mit Bedacht: »Lasst Ihr mir eine Wahl?«
Beguchrens eisblasse Augen erwiderten Gerents Blick unverwandt. »Gewiss. Solange du die richtige Entscheidung triffst.«
Gerent lachte nicht direkt, aber Ironie kräuselte seine Lippen. »Oh, wahrhaftig. Und was habt Ihr vor, dort an der Grenze zwischen Feuer und Erde zu tun, sobald ich Eure richtige Entscheidung getroffen habe? Nein, sagt es mir nicht: Es hängt von dem ab, was ich tue.«
»Natürlich.«
»Ich bin nur ein einzelner Mann. Ich verstehe nicht, warum Ihr nicht die Hälfte aller Schaffenden in Casmantium aufgefordert habt, Euch zu begleiten. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Mensch einen so großen Unterschied machen kann, wie Ihr andeutet. Und ganz gewiss nicht, nun ja, ich allein. Was kann ich schon ausrichten, selbst wenn ich genau das tue, wozu Ihr mich auffordert?«
Beguchren zögerte, bevor er antwortete: »Ich habe gesagt, dass es mir nicht um deine Macht als solche geht. Ich muss dich bitten, mir darin zu vertrauen, dass sie ausreichen wird. Hätte ich die Hälfte aller Schaffenden in Casmantium mitgebracht, kämen sich ihre Absichten und ihre Kraft nur untereinander in die Quere – und würden sich zudem mit meiner kreuzen.«
»Hmm«, äußerte Gerent unverbindlich. Einerseits neigte er dazu, diese Erklärung als Ausweichmanöver infrage zu stellen, aber andererseits fürchtete er, dass er den Magier nur allzu gut verstand. Er fürchtete außerdem, dass sich Beguchren einfach darin irrte, was man schaffen – oder neu schaffen konnte. Die Vorstellung, einen Schaffenden in einen Magier umzuformen, erschien ihm durch und durch verrückt. Er hob die eigenen Hände und betrachtete sie forschend, während er die Finger öffnete und wieder schloss. Er spürte die eigene Gabe in den Händen, beständig und vertraut. Er hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlen würde, an der Welt zu zupfen oder gegenläufige Kräfte auszubalancieren oder wie immer Beguchren erklärt hatte, was Magier taten.
Selbst wenn Gerent bereit war, den Versuch zu unternehmen, und diese »Umgestaltung des Selbst« möglich fand, konnte er kaum glauben, dass es einen messbaren Einfluss auf irgendeine Auseinandersetzung zwischen Beguchren und dem Magier der Greifen zeitigte – und wenn er richtig verstand, womit Beguchren nicht so recht herausrückte, dann war es das, womit der Kaltmagier rechnete. Oder es war sogar das, was er provozieren wollte.
Zugleich hatte Gerent die undeutliche Überzeugung, dass es falsch wäre, sich abzuwenden, ehe er und Beguchren die Grenze der Greifenwüste erreicht und wenigstens einen Blick auf das Land des Feuers geworfen hatten. Nachdem sie so weit gekommen waren, nachdem der Kaltmagier solche Mühen aufgewandt hatte, erschien es Gerent einfach falsch, über diese letzte Etappe der Reise zu streiten. Egal, ob der Magier nun einen Zwang ausübte oder einfach um Gerents Mitarbeit bat.
In einem mit Bedacht lässigen Ton hob Gerent hervor: »Du würdest die Wüste nie allein erreichen, nicht wahr? Also vermute ich, dass ich wenigstens so weit
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