Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
mitgebracht; wir brauchen nicht die Leute des Fremden – sie haben wir am allerwenigsten nötig. Wir kehren nach Breidechboda zurück, oder wenn du darauf bestehst, gehen wir nach Norden, aber möglichst nur du und ich und unsere Leute. Und ganz entschieden nicht in der zweifelhaften Begleitung eines ausländischen Fürsten!«
Tehre zögerte. In gewisser Hinsicht ergaben seine Ausführungen einen Sinn. Sie erwiderte jedoch bedächtig: »Es ist offensichtlich, warum er in meiner Begleitung reisen möchte. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, weißt du? Die Gesellschaft eines Casmantiers, besonders einer casmantischen Dame, erleichtert es ihm, durch unser Land zu reisen. Ich habe ihm versprochen, ihn zu begleiten, Sicheir. Und ich habe ihm gesagt, er könnte das Haus unseres Vaters besuchen. Ich kann jetzt nicht einfach erklären, ich hätte es mir anders überlegt ...«
»Natürlich kannst du das!«
»... und ihn auf der Straße stehen lassen. Das wäre nicht richtig!«
»Tehre ...«
»Und es ist nicht nötig! Du machst dir viel zu viele Gedanken um Äußerlichkeiten. Aber ich denke nicht, dass alles so schlimm aussieht, wie du denkst. Sicheir, vielleicht solltest du mir lieber erzählen, was du gehört hast. Was genau hat Fareine in diesem Brief geschrieben?«
Das Problem bestand darin, wie Tehre genau wusste: Wenn sie jetzt mit dem Fuß aufstampfte und rief : Ich kann auf mich selbst achtgeben!, dann wirkte sie wie ein Kind. Wenn sie kalt und zornig reagierte, sähe sie nach einem boshaften Drachen aus, und mehr noch, es schiene, als misstraute sie dem eigenen Bruder. Doch obwohl sie nicht herumschreien oder sich nur beschweren konnte, durfte sie auch nicht einfach bloß süß und nett sein und zu ihrem Bruder so etwas sagen wie: Na, ich bin aber froh, dass du hier bist, denn dann hätte es den Anschein gehabt, sie hielte es für richtig, dass Fareine nach Sicheir geschickt hatte; und das tat sie keineswegs.
Sie rieb sich die Stirn und fragte sich, ob noch Zeit genug war, die Kopfschmerzen abzuwenden, die sie herannahen spürte, wenn sie die Bedienung sofort um Weidenrindentee bat. »Fareine hat dich von deiner Arbeit weggerufen – der Arbeit eines ganzen Lebens. Was, wenn die Verwalter des Arobarn dir nicht mehr erlauben zurückzukehren? Sicheir, du hast die neue Straße des Arobarn verlassen; kannst du jemals wieder dort arbeiten? Sag mir, dass du nicht jede Chance verloren hast, dort zu arbeiten ...«
»Ich habe dem Hofverwalter, der die Arbeiten leitet, erzählt, dass ich mich dringenden Familienangelegenheiten widmen muss. Er hatte Verständnis. Tehre ...«
Sicheir fand jedoch keine Gelegenheit, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Denn in diesem Augenblick kam Fürst Bertaud die Treppe zum Speiseraum herab, hielt kurz inne, machte Tehre ausfindig und bemerkte auch Sicheir. Jeder natürliche Ausdruck schwand sofort aus seinem Gesicht und wurde von dem höflichen leeren Lächeln des erfahrenen Höflings ersetzt, der sich unvermittelt in einer ungewissen Situation wiederfand. Er bahnte sich seinen Weg durch den Raum, zwischen den Tischen hindurch, nickte Tehre zu und richtete dieses ausdruckslose Lächeln auf Sicheir.
Tehre ergriff das Wort. »Fürst Bertaud, darf ich Euch meinen Bruder Sicheir Annachudran vorstellen? Sicheir ist Techniker und Baumeister; falls Ihr irgendwelche Fragen zur neuen Straße habt, solltet Ihr Euch an ihn wenden. Sicheir, dass ist Fürst Bertaud ...« Sie sollte jetzt sagen: Sohn von irgendwem – aber wie lautete noch gleich der Name, den er ihr genannt hatte? Irgendein weich klingender Name aus Farabiand; sie wusste ihn nicht mehr. Stattdessen fuhr sie fort: »Er ist aus Farabiand und ein enger Ratgeber des Safiad.« Na ja, das hatte er nicht gesagt, aber er musste es sein, wenn der König von Farabiand ihn hergeschickt hatte. Sie schloss mit den Worten: »Der Safiad hat ihn geschickt, um sich einen Überblick über den Bau der neuen Straße zu verschaffen; wenn du also dazu irgendetwas sagen möchtest, bin ich sicher, dass er es sich gern anhören würde.«
»Ganz gewiss«, sagte der fremde Herr sanft. Er reagierte mit kurzem Nicken auf Sicheirs respektvolle Verbeugung und fuhr fort: »Die Straße ist ein gewaltiges Projekt. Ich habe die Pläne sorgfältig studiert. Nur die Techniker Casmantiums können ein solches Vorhaben verwirklichen. Vielleicht könntet Ihr mir jedoch den Unterschied zwischen einem Techniker und einem Baumeister erklären?«
Sicheir blinzelte,
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