Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
hatte. Die Hügel waren inzwischen verlassen. Weder Menschen noch Greifen waren zurückgeblieben. Wasser floss jedoch klar und lieblich durch sein zerklüftetes Bett und suchte sich einen Weg um die seltsame, verformte rote Klippe herum, die das alte Flussbett versperrte. Zarte grüne Triebe sprossen bereits entlang des neuen Flussbetts aus gutem Erdboden heraus, der nur noch dünn von rotem Sand bedeckt war.
Jetzt bei Tageslicht sah Gerent die zertrümmerten Berge. Jedenfalls einige von ihnen. Er erblickte die Stelle, wo die drei nächsten Berge aufgeragt hatten. Der Erdboden war dort jetzt nahezu eben, und der aufgebrochene und aufgerissene Grund zwischen den ferneren Bergen und dem Wall verriet, wo der Erdrutsch niedergegangen war. Gerent schüttelte den Kopf und betrachtete die meilenbreite Spur der Verwüstung, die den Weg des Erdrutsches durch die karge Leere der Wüste markierte. Wäre dort noch ein Wald oder eine Wiese gewesen, hätte der Erdrutsch genauso für ihre Vernichtung gesorgt wie die Wüste. Er wusste, dass ihm ein Blick über den Wall eine ähnliche Verwüstung gezeigt hätte. Wie viele Berge mussten eingeebnet werden, um einen hundert Meilen langen Wall zu erbauen? Oder einen zweihundert Meilen langen? Sämtliche Berge der Umgebung, entschied er, und wahrscheinlich waren auch einige der ferneren Berge niedergerissen worden ... Tehre hätte niemals die nötige Kraft dazu aufgebracht, nicht einmal mithilfe der Macht, die er in ihr entdeckt hatte. Mehr denn je war sich Gerent darüber im Klaren, dass er nicht gegen den Greifenmagier kämpfen wollte. Er empfand widerwillige, bittere Dankbarkeit dem Fürsten aus Farabiand gegenüber, weil dieser den Greifen überredet hatte, Tehres und nun Gerents eigenes Bemühen mit seiner gewaltigen Kraft zu unterstützen.
Er wusste, dass der Greif hier war. Auf der anderen Seite des Walls – wo er wartete. Gerent spürte beinahe die wilde, geduldige Verachtung, die ihm die Kreatur entgegenbrachte. Sollte dir jedoch die Kraft fehlen ... Gerent biss die Zähne zusammen und wandte sich erneut dem Wall zu.
Kapitel 15
Eine Nacht, einen Tag und eine weitere Nacht nachdem Gerent mit Aben Annachudran und vierhundert Männern Beguchren Teshrichten in das Land des Feuers gefolgt waren, stolperte er plötzlich über das Ende von harten Blöcken aus Granit hinaus, die mit Hornblende und dunklem reichem Hämatit verbunden waren. Er fand sich blinzelnd und benommen zwischen den zerklüfteten Hängen mächtiger gezackter Berge wieder. Ihre glänzenden Granitflanken schimmerten in der Sonne, während die Täler noch von Dunkelheit umhüllt waren. Langsam wurde ihm klar, dass er hier nicht die kleineren und behaglicheren Berge vor sich sah, zwischen denen sich der gewaltige, von Nebel umwaberte See nördlich Meridaniums ausbreitete. Die Berge hier waren höher und insgesamt wilder, und auf ihren Flanken glitzerte Eis, in dem sich das frühe Licht der aufgehenden Sonne spiegelte. Das waren die Berge, die entlang der Grenze zwischen Farabiand und Casmantium aufragten. Sie stiegen vor ihm in immer höheren Ketten auf, und rötliche Wolken zerfaserten an den nackten Bergspitzen, die den Himmel aufschnitten.
Hinter ihm erstreckte sich, wie er wusste, auch ohne sich umzudrehen, ein hundert Meilen langer Wall. Ein zweihundert Meilen langer. Vielleicht noch länger. Steinblöcke, eine Speerlänge breit und drei hoch, folgten einem gewundenen Pfad quer durch den Norden Casmantiums. Auf der nördlichen Seite lebten Feuer und heißer Wind, die erbarmungslose Sonne und der brennende Sand ... Der Greifenmagier hielt sich dort auf, direkt gegenüber Gerent auf der anderen Seite: eine grimmige Präsenz, die loderte und von Feuer flackerte. Und obzwar Gerent die Reste seiner Kraft zu sammeln versuchte, um der Herausforderung zu begegnen, mit der er halbwegs rechnete, drang der Greif nicht in das Land der Erde ein.
Auf Gerents Seite glänzte das Eis auf den Bergen. Nebel kondensierte in der Kälte, die vom Wall ausstrahlte, und kräuselte sich in Fahnen und Bändern über die machtvolle Erde. Das Eis und die schwere Erde trotzten dem Feuer; sie widerstanden jedem Vordringen des Feuers. Allerdings vermutete Gerent, dass dieser Wall – obschon er wahrscheinlich jeden gewöhnlichen Greif aufhalten würde – dem Greifenmagier nicht standhielte, falls der seine Kraft dagegen mobilisierte. Obwohl die heutige Morgendämmerung den Greifenmagier sicherlich ebenso erschöpft und ausgelaugt vorfand,
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