Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
oder Greifen oder Drachen war zu bemerken gewesen. Oder wenn doch, dann in den Stunden vor der Morgendämmerung, als Gerent letztlich doch noch ein wenig schlief.
Annachudran hatte das Feuer wieder zum Leben erweckt und Tee gekocht. Er blickte auf, als Gerent auf die Beine kam. »Wir haben reichlich Kekse. Es tut mir leid, dass nicht genug Zeit bleibt, damit du weitere Fische fangen kannst. Wir müssten jedoch bis heute Abend zu Hause sein.«
Zu Hause. Sein Zuhause natürlich. Wollte er zum Ausdruck bringen, dass es auch Gerents Zuhause sein würde? Wahrscheinlich nicht. Gerent fragte nicht. Er ging zum Fluss hinab und wusch sich Gesicht und Hände. Dann kam er zurück und machte sich daran, die Decken zusammenzurollen und den kleinen Topf und andere Dinge einzupacken. Er aß von den Keksen und trank den Tee. Gerent konnte nicht erkennen, was Annachudran dachte. Falls er überhaupt an etwas anderes dachte als sein Zuhause.
»Ich weiß, dass du viel stärker bist als ich«, sagte Annachudran. »Aber ich denke, ich könnte selbst ...«
»Nein, Herr, das ist nicht nötig; nehmt nur die Reisesäcke«, unterbrach ihn Gerent in respektvollem Ton. Er kontrollierte die Riemen der Satteltaschen und verwandte einige Minuten darauf, manche davon zu verlängern und andere zu kürzen. »Wir überqueren den Fluss, nicht wahr? Wie wasserfest sind diese Taschen? Ich habe einige Talglichter mitgebracht. Wenn Ihr etwas Öl habt, kann ich sie vermutlich verbessern.«
»Danke, Gerent. Ja, mach das, sobald wir anhalten.«
Gerent nickte, schlang sich die Riemen über die Schultern und richtete sich auf. Die Satteltaschen schienen schwerer geworden zu sein. Er gestattete sich jedoch keinerlei Ächzen, sondern blickte seinen Herrn nur höflich an und wartete darauf, dass dieser vorausging.
Die Sonne kam hervor, und der Nebel löste sich auf. Der Fluss stürzte neben ihnen munter ins Tal. Sie fanden sogar eine Wildfährte, der sie folgen konnten. Alles in allem war es ein schöner Morgen. Gerent wünschte nur, er wäre allein, hätte weniger zu tragen und schlüge die Gegenrichtung ein.
Andererseits ... andererseits hätte er in Breidechboda sein können. In Perech Fellestedens Haus. Verglichen damit würde sich Annachudrans Haus, wie immer es letztlich aussah, sicherlich als perfekte Zuflucht erweisen. Wahrscheinlich hatte der Mann noch nicht entschieden, ob er Gerents Bitte nachkommen wollte. Gerent warf ihm einen vorsichtigen Seitenblick zu. Er wollte ihn nicht verärgern. Doch Annachudran schien man nicht leicht verärgern zu können ... Gerent fragte: »Ist es Taschan? Wo dein Haus steht?«
»Bei Taschan«, bestätigte Annachudran. »Mein Haus befindet sich draußen auf dem Land, zwischen den Bergen und der Stadt. Nahe am Fluss. Hinter der Furt wenden wir uns fast direkt nach Osten und haben dann noch weniger als zehn Meilen zu gehen. Mein Haus steht am Fuß einiger niedriger Berge, wo ganzjährig ein Fluss ins Tal strömt. Das ist ein freundliches Land, offen und eben, gut für Obstgärten, Weizen und Wiesen. Die Äpfel dürften jetzt allmählich reif werden. Meine Frau liebt Äpfel; sie hat schon Dutzende Sorten gesammelt ...«
Gerent gab einen Laut von sich, der Interesse bekunden sollte, folgte aber im Weiteren nur mit halbem Ohr den Schilderungen über Obst- und Blumengärten und den neuen Teich, den sie gerade angelegt und mit Fischen bestückt hatten. Annachudran war eindeutig wohlhabender, als Gerent erwartet hatte. Und er war verheiratet. Gerent fragte sich, ob die Gattin womöglich Einwände gegen die Anwesenheit eines Dieners erheben würde, den ein Fluchgelübde band. Ob es möglich war, dass er sie für sich gewann und sich sofort nützlich machte, damit sie Einwände erhob, falls ihr Ehemann ihn loswerden wollte?
Auch erwachsene Kinder lebten dort, wie er nun hörte, und diese hatten ihrerseits Kinder, die im Haus der Großeltern ein und aus gingen. Fluchgelübde hin oder her, Annachudran oder seine Frau zögerten vernünftigerweise vielleicht, einen Mörder in das Haus zu holen, in dem ihre Enkelkinder spielten. Oder einen Vergewaltiger.
Gerents Gedanken verdüsterten sich zusehends. Er bezweifelte, dass er Annachudran überreden konnte, ihn freizulassen. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto weniger rechnete er damit, dass Annachudran ihn behalten würde. Selbst wenn Annachudran ihn nicht zu Fellesteden zurückschickte ... Wenn er ihn verkaufte, wie hoch war die Chance, dass Gerents neuer Herr ein
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