Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
Arbeit an der Angelschnur einzustellen. Mit leiser Stimme griff Annachudran seinen Bericht wieder auf. »Sie konnte jedoch nicht sowohl dich als auch die Satteltaschen tragen. Auch wenn ich zwei der Satteltaschen selbst übernahm, hat sie es nicht ganz ...« Er verstummte.
Gerent band die Schnur, die er hergestellt hatte, vorsichtig an den Haken. Kurz prüfte er den Knoten und blickte auf. »Ihr hättet mich dort zurücklassen können.« Er fasste an das Brandzeichen in seinem Gesicht. »Es hätte lediglich den Tod eines Mörders oder Vergewaltigers bedeutet.«
Annachudran zuckte die Achseln. »Du lagst mit dem Gesicht nach unten. Ich habe das Brandzeichen zu Anfang gar nicht gesehen. Als ich es dann entdeckte, wusste ich schon, dass du eine Überlebenschance hattest. Sobald ich das erst einmal wusste, konnte ich dich nicht mehr im Stich lassen.« Er fragte nicht: Freust du dich, oder bedauerst du, dass ich dir das Leben gerettet habe? Seine Augen drückten diese Frage jedoch aus.
Gerent erwiderte den Blick einen Moment lang wortlos. Schließlich sagte er: »Diese Wüste wäre nicht der Ort meiner Wahl gewesen, um meine Gebeine zurückzulassen.« Er nahm Schnur und Haken zur Hand und ging hinunter zum Fluss.
Als es nach einer Weile ganz dunkel geworden war, kochte die Suppe und grillten zwei kleine Fische über der Glut.
»Ich hatte nicht erwartet, dass du welche fangen würdest«, räumte Annachudran ein, während er einen der Fische mit zwei Zweigen wendete.
»Ich hatte Glück.«
»Das war ein guter Haken. Ich hatte allerdings auch nicht erwartet, dass du aus diesem Seil eine anständige Schnur machen könntest.«
»Es ist ein Talent.« Gerent wendete den anderen Fisch.
»Du bist ein Schaffender.«
Die Worte waren nicht mal eine Frage, wie Gerent auffiel. Für seinen Geschmack war Annachudran viel zu scharfsichtig und viel zu schwer zu belügen. Gerent sagte nur, ohne aufzublicken: »Nun ja, das macht mich zu einem wertvollen Sklaven.«
Das Gespräch verstummte für kurze Zeit. Dann begann Annachudran, mit deutlichem Unbehagen eine Frage zu stellen: »Wie viele ... Ich meine, wie vielen Leuten ...«
Diesmal blickte Gerent auf. »Wie viele Besitzer ich hatte? Möchtet Ihr das fragen? Fünf insgesamt. Jeder schlimmer als der Vorgänger.«
»Deine Familie ...« Annachudran zögerte. »Sie konnte dich nicht schützen?«
»Einen Mörder schützen?«, fragte Gerent bitter. Der Ältere schlug die Augen nieder. Gerent, der das bemerkte, schwieg für einen Moment, bevor er mit gesenkter Stimme weitersprach: »Ihr könntet der letzte meiner Meister sein. Ihr habt mir das Leben gerettet: Ihr könntet es auf eine andere Art noch einmal retten ...«
»Hör auf, mich darum zu bitten«, befahl ihm Annachudran leise.
»Ihr könnt meiner Zunge keine Anordnungen erteilen«, erinnerte ihn Gerent, wartete einen Herzschlag lang und fuhr fort: »Natürlich könntet Ihr mir befehlen, mich hinzuknien und stillzuhalten, und mich dann bewusstlos prügeln. Oder zumindest, bis Euer Arm zu müde wäre, um ihn noch mal zu heben. Ihr habt keine Peitsche, aber ...« Er deutete auf die umstehenden Bäume. »Ihr findet hier reichlich federnde Zweige. Das würde wahrscheinlich funktionieren. Soll ich Euch einen zurechtschneiden?«
»Sei still!«, befahl ihm Annachudran, diesmal in viel schärferem Ton.
»Wenn Ihr keinen Fluchgelübde-Sklaven besitzen möchtet, könnt Ihr mir einfach sagen, ich solle fortgehen ...«
»Du möchtest, dass ich die Geduld verliere«, fiel ihm Annachudran ins Wort.
Gerent hörte auf zu sprechen.
Sein Herr betrachtete ihn forschend. »Natürlich möchtest du das. Denn du möchtest wissen, was ich tue, wenn ich wütend bin. Du musst herausfinden, wie weit du bei mir gehen kannst – und was geschieht, wenn du bei mir zu weit gehst.«
Gerent versuchte erst gar nicht, das abzustreiten. Er hatte noch nie einen Meister gehabt, der intelligenter war als er selbst. Jetzt ging ihm der Gedanke durch den Kopf, dass Annachudran sehr gut der Erste sein könnte.
Eine ganze Weile lang sah dieser ihn weiterhin nur an. Das schlichte runde Gesicht war schwer zu deuten. Schließlich befahl er ihm: »Gerent, steh auf.«
Gerent erhob sich.
»Geh in diese Richtung ...« Annachudran wies in den Wald. »... und zwar fünfzig Schritte weit. Setz dich mit dem Rücken zum Feuer. Bleib dort, bis ich dich rufe. Geh!«
Gerent drehte sich sofort um und ging in den Wald. Vorsichtig, da es unter den Bäumen dunkel war. Und
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