Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
kannst es angemessen zusammenfassen?«
Die letzten Worte drückten Zweifel aus, als erwiese er sich vielleicht, wenn man ihn auf die Probe stellen würde, praktisch als Analphabet. Gerent bemühte sich, nicht zu lächeln. »Das denke ich, ja«, erwiderte er ernst.
»Na dann. Na dann, wenn du das für mich tun kannst – genau das, was du gesagt hast ... Ich habe hier diese Gleichungen, die ich zu verstehen versuche ... Es würde mir eine Menge Zeit ersparen, und dann, da hast du recht, erweist es sich vielleicht als einfacher, wenn man sieht, welche Eigenschaften bereits definiert wurden und was Wareyer und Terichsekiun vielleicht übersehen haben ...« Dann fügt sie hinzu: »Klingt das zu arrogant?« Sie klang aufs Neue zweifelnd.
Gerent bemühte sich erneut, nicht zu lächeln. Es wurde schwieriger. »Nicht für mich.«
»In Ordnung. Gut. Gut! Dann zeige ich dir meine Bibliothek. Oder Fareine tut es ... Fareine, zeigst du bitte ... äh ...«
»Gerent Pecheran«, erinnerte Fareine sie.
Tehre wurde rot. »Natürlich!«, blaffte sie. »Zeigst du unserem hochverehrten Gast die Bibliothek? Und bringst ihm alles, was er braucht? Feder, Papier ... was auch immer? Vielen Dank, Fareine; ich weiß gar nicht, wie ich ohne dich zurechtkäme. Hochverehrter Gerent, würdest du dich später mit mir zusammensetzen, sobald ich Zeit gefunden habe, aus diesen Gleichungen über Risse schlau zu werden, die sich ausbreiten oder bleiben, wie sie sind? Ich denke, was danach an die Reihe kommt, ist im Grunde der Entwurf einer Situation mit Mauerwerk unter Spannung, um dann zu sehen, wozu wir die Risse bringen können ...« Sie verstummte nachdenklich und wandte sich ab.
»Bitte hier entlang, hochverehrter Herr«, sagte Fareine zu Gerent und bat ihn mit einer Handbewegung, ihr vorauszugehen.
Er nickte und verließ den Raum.
Fareine folgte ihm unverzüglich und schloss zu ihm auf. »Die hochverehrte Dame wollte nicht den Eindruck erwecken ... Das soll heißen ...«, begann sie in ernstem Ton, als sie ihn durch die Korridore des großen Hauses lotste.
»Ja, das ist klar.« Gerent gestattete sich schließlich doch ein Lächeln und lachte dann laut. »Sie ist anders als alle, denen ich je begegnet bin. Sogar als jeder andere Schaffende, dem ich je begegnet bin! Sie arbeitet an Gleichungen über die Ausbreitung von Rissen? Ich kann mich nicht entsinnen, dass selbst Terichsekiun irgendetwas darüber geschrieben hätte, wie man vorhersagt, welcher Riss sich im Gegensatz zu anderen vergrößert. Das wäre ein sehr wertvoller Beitrag zur Philosophie der Materialien und der Schaffensgabe, falls sie es vollenden kann.«
»Sie schafft das. Wie du schon sagtest, könnte man sie ebenso als Technikerin betrachten wie als Schaffende. Sie denkt ebenso oft in großem Maßstab wie in kleinem. Und sie ist wirklich eine Philosophin.« Auch Fareine lächelte jetzt, nachdem ihr die Erheiterung und die Zustimmung in Gerents Ton aufgefallen war. »Gestatte mir, dir die Bibliothek zu zeigen, hochverehrter Herr, und anschließend deine Zimmer. Ich hoffe, dass du dich in diesem Haus wohlfühlen wirst. Solltest du die Gastfreundschaft der Annachudrans in irgendeiner Hinsicht als unzulänglich empfinden, dann bring mir das bitte zu Gehör.«
Nicht Tehre, verstand Gerent. Er nickte.
Die Bibliothek war gut bestückt, wenn auch mit einem starken Schwerpunkt auf Naturphilosophie, und für Gerents Geschmack fehlte es ihr ernstlich an Lyrik. Er breitete die Bücher aus, die ihm Aben Annachudran mitgegeben hatte, und ordnete sie ein. Nach kurzem Nachdenken fügte er auch die Bücher, die er Fellesteden gestohlen hatte, dem Bestand auf den Regalen hinzu. Sie trugen ein wenig dazu bei, den Mangel an historischen und lyrischen Werken auszugleichen – und sie waren hier in Sicherheit, falls ihm etwas zustieß. Er versuchte, sich keine bildhaften Vorstellungen von dem zu machen, was diese Worte vielleicht bedeuteten.
Das Abendessen wurde in diesem Haushalt spät aufgetragen und verlief förmlicher, als es Gerent nach den belegten Broten in der Küche vermutet hätte. Wenigstens war der Speiseraum nicht viel zu groß. Fareine wartete natürlich ihrer Herrin auf, ebenso eine weitere junge Frau, die Fareine als Tehres Gefährtin vorstellte. Gerent verstand das so, dass es sich um eine Anstandsdame handelte, die sich um Tehre kümmerte, während Fareine mit dem Haushalt beschäftigt war. Nach dem schüchternen Auftreten der jungen Frau zu urteilen, war sie wohl erst auf
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