Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
wahren. »Mein Herr, Ihr verlangt meine Loyalität. Was wäre sie wert, wenn ich eine Loyalität, die ich jemand anderem schulde, so leicht verriete?«
Der Magier verschränkte die Arme, legte den Kopf schief und antwortete leise: »Ich werde jedoch deine Dienste haben. Für mich ist nicht hinnehmbar, dass du jemand anderem loyal bist. Hat einer deiner Vettern dir geholfen? Brachan? Geseikan?«
Gerent lachte bitter über diese Andeutung. Erst dann fiel ihm ein: Hätte er nur schneller gedacht, dann hätte er den Verdacht auf seine Vettern und weg von Tehre und ihrem Vater lenken können ... Dann beunruhigte ihn sogleich, dass ihm diese Idee überhaupt gekommen war. Und zweifach beunruhigte es ihn zu wissen, dass er genau das getan hätte, wäre er nur auf die Idee gekommen, es könnte funktionieren.
Er stellte fest, dass er die Fäuste geballt hatte, und zwang sich, die Hände zu öffnen. Er versuchte nachzudenken. Ihm kam der Gedanke, dass vielleicht das ganze Angebot, das ihm der Magier des Königs unterbreitet hatte, eine Lüge war; dass das Angebot der Freiheit vielleicht nur ein Trick war, um die Antwort auf die von Teshrichten gestellte Frage zu erfahren. Das erschien ihm sofort glaubhaft – einen Augenblick später jedoch völlig unglaubhaft: Warum sollte sich des Königs persönlicher Magier auf Tricks verlegen, wenn er doch die Gedanken eines Menschen wie ein Buch öffnen und die darin versteckten Erinnerungen lesen konnte, geschweige denn, dass er Gebrauch von den Zwängen des Fluchgelübde machte? Im nächsten Augenblick wiederum erschien ihm die Möglichkeit sehr real. Er konnte sich nicht entscheiden.
Gerent blickte in das Gesicht seines Herrn, stellte fest, dass die gelassene Regungslosigkeit völlig undurchschaubar war, und holte tief Luft. »Wenn Ihr möchtet, dass ich Euch mit Hingabe diene, müsst Ihr akzeptieren, dass ich auf diese Frage keine Antwort gebe«, erklärte er schließlich. »Vielleicht könnt Ihr sie in meinem Kopf lesen; ich weiß es nicht. Ich werde jedoch versuchen, Euch daran zu hindern. Ich werde die Frage nicht freiwillig beantworten.«
Ihre Blicke begegneten sich und hielten sich gegenseitig fest. Gerent wartete darauf, dass die Gedanken des Magiers in seinen Kopf eindrangen, aber dies geschah nicht. »Obwohl ich es lieber hätte, wenn du mir freiwillig dienst«, sagte Beguchren Teshrichten schließlich, »wird deine absolute Unterwerfung reichen. Sowohl Strafe als auch Lohn liegen in meiner Hand. Ist dir das klar?«
Gerent war das absolut klar. Er sagte nichts.
»Glaubst du, du könntest mir irgendeine Antwort vorenthalten, die ich zu hören verlange? Du hast keinerlei Schutz vor irgendetwas, das ich mit dir tue«, erinnerte Beguchren ihn unnötigerweise.
Gerent erwiderte seinen Blick wortlos und suchte in der geübten Regungslosigkeit des Sklaven Zuflucht. Es war die einzige Zuflucht, die ihm offenstand.
»Zieh dich aus!«, befahl ihm der Magier. »Und warte hier auf mich.« Er wandte ihm den Rücken zu und verließ das Zimmer.
Gerent hätte im Leben nie erwartet, dass er Perech Fellesteden einmal für irgendetwas dankbar sein würde. Jetzt stellte er jedoch fest, dass er für die harten Lektionen im Ertragen von Leid, die Fellesteden ihm erteilt hatte, tatsächlich dankbar war. Er wusste, wie man Demütigungen hinnahm, wie man daran glaubte, dass alles vorüberging, wie man sein Bewusstsein so glättete, dass man nicht mal mehr einen Augenblick vorausdachte – sodass er kaum noch an den Augenblick dachte, während dieser tatsächlich geschah.
Was er nicht glauben konnte: dass der Magier des Königs ihn erst so weit erhoben und dann so tief fallen gelassen hatte ... Nein, nein, das hatte Gerent sich selbst zugefügt. Nichts, was der Magier zu irgendeinem Zeitpunkt gesagt hatte, war echt gewesen, und ein erfahrener Sklave hätte das wissen müssen. Beguchren Teshrichten hatte zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, Gerent freizulassen. Hatte ihm nur die Hoffnung auf Freiheit vermitteln wollen ... Gerent faltete seine Kleidung ordentlich auf einem Stuhl neben ihm zusammen und drehte sich zu dem Magier um, als dieser zurückkehrte.
Beguchren hielt ein Brandeisen in einer Hand und eine Reitpeitsche in der anderen. Neben dem Eisen wirkte die Peitsche regelrecht unschuldig. Gerent versuchte, das Eisen nicht anzustarren. Er konzentrierte sich stattdessen auf eines der Gemälde: es zeigte die Südflanke des Eisenhügels am Nachmittag eines milden Herbsttages. Der weiße Marmor
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