Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
Daveien Behanad Safiads.«
Er sprach ihren Namen sorgfältig und langsam aus, und er kam ihm in einem seltsamen Singsang über die Lippen. Andererseits klangen die exotischen farabiandischen Namen in seinem Mund, als gehörten sie dorthin; Tehre hätte sie nie in dieser Weise aussprechen können. Ihr kam der Gedanke, dass Sprache etwas Geschaffenes war; Worte ähnelten den Bausteinen einer Mauer und der Satzbau dem Mörtel, der sie verband. Die Aussprache bildete dabei die architektonische Form – die Signatur des Schaffenden. Sie lächelte.
»Seid Ihr eine Hofdame?«, fragte sie der fremde Herr. »Verzeiht mir, dass ich mit Eurem Namen nicht vertraut bin ...«
»Nein«, antwortete Tehre überrascht. »Ich bin ...« Wie lautete noch gleich das Wort in Terheien? »Eine Schaffende«, vollendete sie den Satz auf Praken, weil ihr der Begriff auf Terheien nicht einfiel.
»Eine Schaffende«, wiederholte Fürst Bertaud höflich auf Terheien. »Die Schaffenden und Baumeister Casmantiums sind sogar in Farabiand berühmt.«
»Ja«, sagte Tehre, glücklich darüber, vertrautes Gelände erreicht zu haben. »Andreikan Warichteier schreibt in seinen Principia: ›Casmantium für die Baukunst, Farabiand für das Rufen, Linularinum für das Recht.‹« Ihr war nur nicht das Terheien-Wort für »Recht« eingefallen, und sie hatte dabei auf Praken zurückgreifen müssen. Sie musterte den fremden Herrn neugierig. »Ruft Ihr? Wie ist es, wenn man ruft?«
»Rufen?«, wiederholte er und schüttelte dabei den Kopf, um ihr zu zeigen, dass er sie nicht verstand. Er wiederholte das Wort auf Praken: »Rufen? ›Ausrufen‹ – ist das der Begriff?«
»Oh ... ja. Ich meinte jedoch ›rufen‹. Menschen, die rufen, hmm.« Sie suchte nach dem Wort für »Tier«, fand es nicht und formulierte bedächtig: »Hunde, Pferde, Mäuse, ja?« Es amüsierte sie, dass ihr das Terheien-Wort für »Mäuse« einfiel.
Der Herr aus Farabiand runzelte jedoch die Stirn und schüttelte knapp den Kopf. »Nein, ich rufe nicht.«
Und sie hatte ihn mit der Frage erzürnt. Vielleicht schämte er sich dafür, nicht zu rufen, wenn, wie Warichteier andeutete, fast jeder in Farabiand dazu fähig war. Tehre wusste nicht, ob sie um Verzeihung bitten sollte. Es hatte sie gefreut, einen Mann kennenzulernen, der vielleicht rief; noch nie war sie jemandem begegnet, der ihr etwas über diese Form von Magie erzählen konnte, die sich so sehr von der Anwendung der Schaffensgabe unterschied. Zumindest vermutete sie, dass es sich stark davon unterschied. Eine interessante Frage: Vielleicht war die Erfahrung ähnlich und nur der Ausdruck der Gabe ein anderer? Es tat ihr jedoch leid, dass sie den fremden Herrn gekränkt hatte. Sie wusste nicht recht, wofür sie sich eigentlich hätte entschuldigen sollen, also schien es ihr der bessere Weg, nichts zu sagen. Wahrscheinlich hätte sie überhaupt nicht das Wort an den Herrn aus Farabiand richten sollen ...
Ihm schien jedoch leidzutun, dass er sie finster angesehen hatte, und er fragte: »Was, ah, fertigt Ihr an?«
»Oh ...« Tehre war froh, dass sie den Herrn nicht unwiderruflich beleidigt hatte. Sie fragte sich, wie sie die Philosophie der Schaffensgabe in einer Sprache ausdrücken sollte, die sie kaum gut genug verstand, um darin zu sagen: Ich heiße Tehre, und du? Sie versuchte sich jedoch mit einer Erklärung: »Ich denke über das Schaffen nach. Versteht Ihr? Ich erforsche ... wie man etwas schafft. Wie, ah, wie Dinge ...« Ihr fielen die Worte für »brechen« oder »versagen« nicht ein.
Fürst Bertaud nickte jedoch. »Ihr forscht. Wie ein Magier.«
»Ein wenig wie ein Magier«, pflichtete ihm Tehre bei, obwohl ihr der Vergleich zweifelhaft erschien. Vielleicht waren die Magier in Farabiand allesamt auch Gelehrte. Magier erforschten tatsächlich Dinge, wie sie vermutete. Magische Dinge. Sie fragte sich, ob es eine Philosophie des Zauberns gab, die von einem Magier zum anderen weitergegeben wurde, wie es ja auch eine Philosophie der natürlichen Stoffe gab; und wenn es so war, was diese Philosophie des Zauberns alles umfasste.
»Und Ihr ...«
Aber die Frage des Herrn wurde unterbrochen, da in diesem Augenblick der Kammerherr zurückkehrte. Tehre tat es fast leid; der Herr aus Farabiand war interessant, auch wenn er nicht über die Gabe des Rufens verfügte.
»Mein Fürst, der Arobarn empfängt Euch sofort«, wandte sich der Kammerherr an Fürst Bertaud; er benutzte dabei das Terheien und beherrschte diese Sprache
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