DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
aufhalten zu können?«, vermutete er.
Der Farabiander Fürst sah ihn nicht an. »Der Pass zwingt sie in die Tiefe und zu einer engen Formation. Ich denke, dass ich sie alle zurückhalten kann. Sollte ich mich damit aber irren, sind wir meiner Ansicht nach gut beraten, wenn wir unsere Männer so aufgestellt haben, dass sie auch etwas nützen.«
Jos nickte erneut.
»Tastairiane wird an vorderster Stelle angreifen, stelle ich mir vor, und wenn ich ihn aufhalten kann, wird es die anderen zumindest in Verwirrung stürzen.«
»Kes wird sich weit außer Bogenschussdistanz halten. Auch außerhalb Eurer Reichweite?«
»Ich kann nicht … Sie ist nicht …« Bertaud führte den Gedanken nicht aus.
»Sie wird auf Opailikiita reiten, schätze ich.«
»Und wenn ich keinen Zwang auf Kes ausüben kann, müsste ich aber bei Opailikiita dazu in der Lage sein. Ja. Sie hat stets sehr sorgsam darauf geachtet, Kes weit außer Reichweite verirrter Pfeile zu halten. Aber die Berge zwingen sie vielleicht, auf geringerer Höhe zu fliegen. Dichter am Boden. Und näher zu mir hin. Vielleicht kann ich Opailikiita zwingen, Kes anzugreifen. Dann können unsere Pfeile gegen die übrigen Greifen Wirkung entfalten.« Der Fürst schien nicht glücklich über seine eigenen Vorschläge zu sein. Seine Stimme klang angespannt, fast so, als diskutierte er hier über seine potenzielle Fähigkeit, Kinder aufzuspießen.
Jos nickte wieder und schwieg.
»Ich weiß«, sagte Bertaud und sah unvermittelt auf, um ihm in die Augen zu blicken. »Ich weiß, dass es geschehen muss, und lieber sehe ich die Greifen vernichtet als Tihannad und danach das ganze Land der Erde, aber …«
»Ich …«
Bertaud schlug mit der flachen Hand auf die Landkarten, die er studiert hatte. »Behauptet … ja nicht, dass Ihr es versteht.« Er hatte nicht geschrien, sondern diese Worte fast im Flüsterton gesprochen.
Jos fing sich mit knapper Not ab, ehe er einen Schritt zurückwich. »Nein, mein Fürst. Ich bitte um Verzeihung.«
Der Fürst aus Farabiand starrte ihn einen weiteren Augenblick an, die Augen schmal und das Gesicht gerötet. Dann senkte Bertaud den Blick, warf sich auf einen Stuhl und rieb sich das Gesicht müde mit beiden Händen. »Verzeiht mir.«
»Da ist nichts zu verzeihen, hoher Herr«, sagte Jos ernst. Er zögerte. »Kairaithin?«
»Falls er mir Tastairiane bringen könnte oder mich zu Tastairiane – denkt Ihr nicht, dass er es inzwischen sicherlich getan hätte?« Der Satz begann als verzweifelter Aufschrei und endete als Frage, die um Trost heischte. »Oder was glaubt Ihr? Könnte es noch genug Zeit für Kairaithin geben, um Erfolg zu haben? Sollte er es letztlich wirklich versuchen und nicht nur zaudern und zaudern und hoffen, dass ich letztlich überwältigt werde …«
»Bis der Sand der letzten Sekunden durch die Uhr rinnt, bleibt Zeit.«
Fürst Bertaud lachte bitter. »Ah. Ich danke Euch.«
»Das konnte zur Volksweisheit werden, weil es wahr ist«, sagte Jos sanft. Er hörte die Sanftheit in der eigenen Stimme und war davon überrascht. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht geahnt, dass er den anderen Mann für angeschlagen hielt.
»Nun ja.« Bertaud zögerte erst, dann blickte er sich mit einer Miene der Unsicherheit um, die unvermittelt in Entschlossenheit umschlug, und rief in die Luft: »Kairaithin! Sipiike Kairaithin!«
Der Greifenmagier folgte diesem Ruf und tauchte wispernd wie wirbelnde Asche aus der Luft auf. Er sammelte Dunkelheit um sich, als er kam, und erhob sich aus schwarzen Federn und dem düsteren Leuchten eines erstickten Feuers auf die Beine. Sein Schatten schwelte, heller als das Lampenlicht oder das verbliebene Tageslicht von außerhalb; der Holzfußboden rauchte und schwärzte sich unter seinen Füßen.
Jos hatte noch nie erlebt, dass der Greifenmagier die eigene Macht so schlecht im Griff hatte. Er wollte am liebsten laut rufen und Kairaithin ermahnen, sich zu beherrschen. Dann aber wandte ihnen der Greif sein Menschengesicht zu, und beide Männer erblickten das blutige Mal auf seiner Wange und sahen, wie er einen Arm fest an den Körper angezogen hielt. Jos vergaß, was er hatte sagen wollen, und Fürst Bertaud sprangauf und fragte erregt: »War das Tastairiane? Bist du in Ordnung?«
»Ich bin nicht besiegt worden!«, entgegnete Kairaithin heftig. »Rufe mich nicht, Mensch! Begreifst du nicht, dass ich alles tue, was in meinen Kräften steht? Lass mich gehen!«
Bertaud hob beide Hände zu einer hilflosen
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