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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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hineinsehen und sich davon überzeugen, dass er sicher und wohlauf war. Er würde schlafen – das war ihr klar. Aber sie fühlte sich irgendwie unbehaglich und wusste, sie selbst würde nicht schlafen können, solange sie nicht zu ihm hineingeblickt und sich davonüberzeugt hatte, dass mit ihm alles in Ordnung war. Sie verstand das nicht. Sie wusste jedoch, dass es so war. Sie blickte nicht einmal zum Fenster hinaus, um Bertaud, Erich und die anderen davonreiten zu sehen. Sie suchte direkt Tans Zimmer auf.
    Der Flur vor dem Zimmer war leer. Doch Maianthe dachte sich nichts dabei; sie hatte vergessen, dass Hauptmann Geroen die Anweisung erhalten hatte, Tan von seinen Wachleuten beschützen zu lassen. Die Abwesenheit von Wachleuten war es also nicht, was Maianthe alarmierte. Trotzdem war sie unvermittelt überzeugt, noch während sie rasch zur Tür ging, dass etwas nicht stimmte. Sie packte die Klinke und hatte das eigenartige Gefühl, dass sich die Tür gar nicht zu Tans Zimmer öffnen würde – dass sie sich zu irgendeinem beliebigen Ort öffnen würde, nur nicht zu diesem Zimmer. Als sie die Tür jedoch vorsichtig öffnete, sah sie gleichwohl das Zimmer vor sich. Papierbögen und Tintenkrüge waren nach wie vor ordentlich auf dem Nachttisch aufgereiht, aber das Bett war leer. Das ganze Zimmer war still und leer.
    Oder auch nicht ganz leer. Geroens junge Wachmänner saßen auf dem Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, blass und bewusstlos. Tan war jedoch nicht hier.
    Und doch stellte Maianthe fest, dass sie wusste, wo er war – so sicher, wie sie auch ohne hinzusehen wusste, wo unten war oder wo sich die eigenen Hände befanden.
    Sie wusste, dass Tan bewusstlos war. Sie wusste, dass er nicht weit war, sich aber schnell weiter entfernte. Sie wusste, dass es mit ihm nach Westen ging, zum Fluss und nach Linularinum. Und sie wusste noch etwas anderes: Sie würde Geroen nie davon überzeugen können, dass sie irgendetwas wusste.
    Sie behielt in allem recht, nur nicht im letzten Punkt.

Kapitel 3
    Lächelnd zog Tan den Nachttisch näher heran und blätterte durch einen Stapel Papierbögen, die ihm ein Diener gebracht hatte, zusammen mit einem sehr guten Abendessen und einem passablen Wein. Vom Abendessen waren nur noch Krümel übrig geblieben und vom Wein gar nichts mehr, und Tan hatte sogar eine Zeit lang geschlafen, was er nach der langen Bewusstlosigkeit nicht erwartet hatte. Andererseits war Bewusstlosigkeit nicht ganz das Gleiche wie Schlaf, dachte er erheitert. Obwohl es erst kurz zurücklag, dass er sich mit seiner Gabe so verausgabt hatte, fühlte er sich jetzt vom Papier und von den Schreibfedern angezogen, die man ihm gebracht hatte. Das Lampenlicht war ausreichend, falls er den Wunsch verspüren sollte, ein wenig zu schreiben.
    Es war gutes Papier, dick und von dichter Struktur. Gut gemachtes Papier wie dieses gestaltete die Arbeit schön; die Tinte verschmierte und verblasste darauf nicht. Die Ansammlung von Tinten erwies sich ebenfalls als eindrucksvoll. Das Blau war von guter, tiefer Tönung wie veredelte casmantische Saphire, das Grün frisch und hell wie der Frühling, das Violett dunkel und reich.
    Er dachte, dass eine junge Frau aus dem Delta wahrscheinlich Anariddthens neuesten Zyklus nicht kannte, er ihr aber gefallen würde, war das Werk doch ganz süße Liebe, verzweifelter Verlust und echtes Heldentum und wies ein Ende auf, das anders als in den meisten Liebesepen zumindest zweideutig war und nicht einfach nur tragisch. Es würde der hübschen kleinen Maianthegefallen, entschied er. Er war sich schon darüber im Klaren, dass jeder, der sich bei Fürst Bertaud in ein gutes Licht zu setzen wünschte, sehr wohl darüber nachdenken sollte, wie er dessen Cousine eine Freude bereitete.
    Der Anariddthen – ja, entschied Tan. Nicht nur gefiele dieser Zyklus der jungen Maianthe wahrscheinlich, sondern er konnte auch in praktikable Textsegmente unterteilt werden. Da bestand kein großes Risiko, in der Trance des Rechtskundigen zu versinken und sich die Finger bis auf die Knochen wundzuschreiben, um während einer einzigen Sitzung das ganze Werk zu vollenden. Ja, der Anariddthen war eine gute Wahl. Grüne Tinte für den Anfang, überlegte sich Tan. Er nahm eine grüne Schreibfeder zur Hand – aus dem Gefieder eines Papageis hergestellt, vermutete er. Sie war sehr schön gefertigt, wenn auch keine Feder von der Art, wie ein Berufsschreiber sie für ernsthafte Arbeit benutzen würde. Perfekt

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