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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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sein, etwa, weil er befürchtete, Fleischmann könne ihn irgendwann einmal kompromittieren, räumte der Kommissar ein. „Aber das ist nur eine Möglichkeit. Genauso gut können der Bürgermeister und der Stadtdirektor mit der Ermordung des Autors in Verbindung stehen.“ Böhnke rang sich ein verlegenes Lächeln ab. „Immerhin hat Fleischmann die beiden mehr als einmal in seinen Romanen bloßgestellt. Zwangsläufig mussten sie befürchten, dass er bei seinen Recherchen Beweise fände und sie in verschlüsselter Form veröffentlichen würde, wodurch ihre Machenschaften endgültig auffliegen würden. Außerdem kommt irgendwann einmal sogar der letzte Walddepp dahinter, wer gemeint ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, wäre der Tod Fleischmanns eine aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehbare Konsequenz.“
    „Was ist also zu tun?“ Ich hatte genug von Bestandsaufnahmen undtheoretischen Überlegungen, sie verwirrten mich nur noch. „Sie suchen einen Maulwurf und ich einen Mörder, beziehungsweise mehrere Täter.“ Immerhin hatte ich ein Mandat und einen Auftrag von Böhnke. „Wie gehen wir vor?“
    Böhnke sah mich nachdenklich an. Er nickte bedächtig. „Gute Frage. Noch stolpere ich orientierungslos durch den Nebel.“
    „Dann pusten Sie ihn weg!“, sagte ich energisch. „Wir haben doch einen Ansatz. Wir haben die Romane. Und wenn Sie unterstellen, dass Teile der Geschichten wahr sind, müssen wir diese Teile herausfiltern. Außerdem müssen wir nach Hinweisen suchen, die bestimmt in den Romanen versteckt sind. Oder meinen Sie nicht?“
    Der Kommissar nickte wieder und bat mich, fortzufahren. „Wir, Sie und ich, werden also die Romane Zeile für Zeile durchgehen und darüber diskutieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit weiterkommen.“
    „Und wo machen wir uns an die Arbeit?“
    „In Huppenbroich, wo denn sonst?“, antwortete ich mit einem breiten Grinsen, „dort sind wir ungestört. Sagen Sie Ihrer Freundin, Sie wollten ab sofort das Bett mit mir teilen, sie solle gefälligst den Hühnerstall räumen und nach Aachen zurückkehren.“ Wir sollten uns auf den Weg machen, schlug ich mit gespieltem Tatendrang vor und rief die Kellnerin herbei. „Kennen Sie eigentlich das Rathausduo oder besteht bisher nur ein Verdacht?“ Ich hätte liebend gerne die Namen der beiden Gauner oder wenigstens den Namen der Stadt erfahren.
    Aber Böhnke blieb zurückhaltend. „Ich kann nichts Konkretes sagen“, bedauerte er, „wenn wir alle mit unserer Verdächtigung schief liegen und frühzeitig die Namen hinausposaunen, ohne stichhaltige Beweise vorzuweisen, könnte das gewaltig Ärger geben.“ Der Kommissar erinnerte mich an den letzten, nicht veröffentlichten Roman Fleischmanns. „Wenn das alles oder auch nur zum größten Teil stimmt, was das geschrieben steht, haben wir einen politischen Skandal, der bis in die Spitze unserer Landesregierung reicht. Sie müssen verstehen, dass wir als Landesbeamte mit äußerster Vorsicht vorgehen müssen. Schließlich ist der Ministerpräsident im Prinzip auch mein Dienstherr und der meines Vorgesetzten.“
    Langsam schlenderten wir zu Böhnkes Wagen zurück.
    Ich musste das Gehörte erst einmal verdauen. Eine Frage hätte ich noch, meinte ich endlich zögerlich. „Ist Fleischmann wirklich nur wegen seines Ausweises identifiziert worden?“
    Der Kommissar blieb stehen und sah mir ins Gesicht. „Ja, mein Freund, nur deswegen.“
    Ich glaubte ihm und ärgerte mich einmal mehr über mich selbst, dass ich beinahe einem sensationshungrigen Journalisten mehr vertraut hätte.
     
     
    Auf dem Rückweg zum Wagen kamen wir an einer Plastik aus Bronze vorbei. „Wunderknabe“ lautete ihr Titel, wie ich einem Hinweisschild entnahm. Das Kunstwerk sollte an eine legendäre Fußballmannschaft aus der Zeit von 1928 – 1931 erinnern, als die „Wunderknaben“ der Sportgemeinschaft Baesweiler-Oidtweiler in einer unvergleichlichen Siegesserie den Aufstieg bis in die Sonderliga, die damals oberste Amateurliga, schafften. Das war lange her. Und jetzt? Gab es überhaupt noch den SV Baesweiler oder Concordia Oidtweiler? Ich wusste es nicht einmal mehr und wollte Böhnke nicht danach fragen.
    „Na, wer ist unser ,Wunderknabe’?“, hörte ich den Kommissar fragen. „Ist Fleischmann unser Wunderknabe? Oder Wagner? Oder sind Sie es, werter Freund?“
    Ich schwieg dazu und dachte mir meinen Teil. Für mich war nur klar: Böhnke war gewiss kein Wunderknabe, er war allenfalls ein wundersamer

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