Der Grenzgänger
Fleischmann und dessen Romane sowie die Abschriften von Rundfunkmeldungen oder Fernsehberichten. Bundesweit war der Autor in den Medien erwähnt worden. Die Artikel bestätigten die Behauptung, dass Fleischmann auf alle Fälle in der Lage war, in die Spitzenklasse der Krimiautoren aufzusteigen. Die Literaturkritiker und andere Fachleute bescheinigten ihm übereinstimmend ein großes Talent.
Nach langer Wartezeit wechselte Böhnke endlich die Ordner mit mir, wobei er unruhig zu verstehen gab, ich möge mich gefälligst mit dem Durchblättern beeilen.
Seinen deutlichen Wink zur Eile überhörte ich geflissentlich. Ich hatte viele Fakten und Gedanken zu verarbeiten und nicht zuletzt der Kommissar selbst trug durch sein unerklärliches Verhalten dazu bei.
Die Verträge zwischen Wagner und Fleischmann kannte ich bereits aus dem Blick in Fleischmanns Unterlagen. Interessanter undeinen zweiten Blick wert waren die jährlichen Abrechnungen bezüglich der getätigten Buchverkäufe, die ich zwar auch schon in Fleischmanns Wohnung gefunden hatte, die ich jetzt allerdings genauer in Augenschein nahm.
Fleischmanns Bücher waren in einer Startauflage von zehntausend Exemplaren aufgelegt worden, neben einer kleinen Pauschale war der Autor prozentual am Einzelverkauf beteiligt. Wie aus den Abrechnungen zu erkennen war, hatte Fleischmann bislang bei keinem Roman eine zweite Auflage erreicht.
Zehntausend Stück seien schon eine beachtliche Menge, gab Wagner zu bedenken, als ich ihn bei unserer Verabschiedung auf den nach meinem laienhaften Verständnis bescheidenen Publikumserfolg ansprach. „Die wenigsten Bücher in Deutschland erreichen diese Verkaufszahl.“ Es brauche oftmals Jahre, bis die Menge verkauft werde. Die meisten Verlage würden nur noch auf die schnelle Mark setzen. „Knappe Werbung, geringe Auflage, am besten noch mit einer Eigenbeteiligung des Autors an den Druckkosten und schnelles Abverkaufen.“ Viele seiner angeblichen Kollegen bevorzugten den ständigen Wechsel bei den Produkten, behauptete Wagner. „Ich gehe hingegen lieber den langen Weg und warte darauf, dass sich ein qualitativ gutes Buch vielleicht erst nach Jahren durchsetzt.“
Auch für eine zweite Besonderheit hatte Wagner eine durchaus ehrenwerte und nachvollziehbare Erklärung. Ich hatte mich gewundert, in Fleischmanns Wohnung keine Steuererklärungen finden zu können. Jetzt erkannte ich den Grund. Die Unterlagen waren in den Ordnern im Verlag abgeheftet. „Fleischmann hatte absolut keinen Draht zum Finanzamt. Wir haben ihm die steuerlichen Dinge abgenommen. Immerhin haben wir die Fachleute an der Hand“, sagte Wagner lächelnd. „Fleischmann war das durchaus Recht. Was sollte er auch Geheimnisse vor uns haben? Als sein Verleger war ich sein Geldgeber.“ Außerdem habe der Autor dadurch Geld sparen können.
„Wir haben ihm die Steuererklärung kostenlos gemacht, bei einem Steuerberater hätte er sie bezahlen müssen.“
Mich kümmerte Fleischmanns Finanzgebaren nicht sonderlich. Immerhin war der Schreiberling ein Mann des Wortes gewesen und nicht der Zahlen. Wenn er mit dieser Vorgehensweise einverstanden gewesen war, sollte das seine Sache gewesen sein. Wagner schien Fleischmann jedenfalls seriös behandelt zu haben.
Wie ich dem Briefwechsel mit dem Finanzamt entnehmen konnte, hatten sich Wagner und damit auch Fleischmann stets redlich verhalten.
Böhnke räusperte sich laut und vernehmlich. Er deutete auf seine Armbanduhr. „Ich glaube, Herr Wagner und seine Mitarbeiter wollen Feierabend machen, Herr Grundler.“
Der Verleger lächelte ihn dankbar an. „So ist es.“ Er wolle uns nicht hinauskomplimentieren und würde selbstverständlich auch bleiben, wenn wir es wünschten, aber lieber würde er nach Hause fahren.
„Von mir aus können wir gehen“, sagte ich lässig und reichte Wagner die Hand. „Falls ich noch Fragen haben sollte, rufe ich Sie an, wenn ich darf.“
Ich dürfe, meinte Wagner entgegenkommend und überreichte mir mit einem höflichen Lächeln eine Visitenkarte. „Für Sie bin ich selbstverständlich zu jeder Tages- und Nachtzeit zu sprechen, meine Herren.“
Maulwurf
Schweigend trottete ich hinter dem Kommissar her und blieb verblüfft stehen, als er auf der Kirchstraße nicht sofort auf seinen Wagen zustrebte, sondern in die entgegengesetzte Richtung ging. „Was ist mit Ihnen?“, fragte ich.
Böhnke drehte sich langsam um und sah mich mit müden Augen an. „Ich glaube, wir haben
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