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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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einiges zu bereden, mein Freund. Das können wir besser bei einem Glas Bier in einer gemütlichen Kneipe als in einem nervigen Stau auf der Bundesstraße.“
    Mir sollte es recht sein. Der Kommissar hatte mir etliches zu erklären, dachte ich mir, nicht ich ihm. Ich war gespannt, was er mir zu sagen hatte.
    Gelassen wartete ich ab, bis Böhnke in der bürgerlichen Gaststätte sein Bier und mein Mineralwasser bestellt hatte, und beobachtete ihn ruhig, als er nervös auf seinem Platz hin- und herrutschte. Er sollte beginnen, hatte ich für mich entschlossen und schwieg beharrlich. Er hatte ein Problem, nicht ich.
     
     
    Der Kommissar atmete tief durch, dann blickte er mich gefasst an. „Es gibt gleich mehrere Dinge, die ich mit Ihnen besprechen muss, und die alle zusammenhängen. Ich bin mir nur nicht schlüssig, wo ich anfangen soll.“
    „Am besten vorne“, empfahl ich ihm aufmunternd. „Ich weiß noch nicht einmal, wo überhaupt vorne ist. Ich stecke mittendrin.“
    „Wo drin?“
    „Im Schlamassel.“ Böhnke schwieg für einen Moment, als eine Kellnerin uns die Getränke servierte. „Fange ich einfach irgendwo an“, schlug er sich selbst vor, als wir wieder alleine waren, und prostete mir zu, „am besten mit dem Einfachsten. Was halten Sie von Christian Maria Wagner?“
    Er mache auf mich einen seriösen Eindruck, urteilte ich. „Wagner scheint sich für Fleischmann zu engagieren. Ich bin geneigt, ihm zu glauben, wenn er sagt, er wolle mit einem toten Autor kein Geld verdienen.“
    Böhnke stimmte mir uneingeschränkt zu. „Diese Einschätzung trifft zu.“ Sein Bekannter, der Buchhändler, der ihm das Leseexemplar gegeben hatte, hätte Wagner als redlich und fair kennen gelernt. „Das ist ein Verleger vom alten Schlag und keiner der modernen, die nur Geld verdienen wollen“, so zitierte Böhnke seinen Buchhändler. Wagner habe von Hause aus dank seiner Heirat und seines finanziellen Geschicks bei der Vermögensverwaltung ausreichend Geld, sodass er nicht um jeden Preis bei seiner verlegerischen Tätigkeit auf kurzfristigen und schnellen Profit aus sein müsse. „Der hätte Fleischmann langfristig zu Ruhm und Ehren geführt, davon ist mein Bekannter überzeugt.“
     
     
    Demnach habe Wagner keinen Vorteil und kein Interesse am Tod Fleischmanns, schloss ich. „Dann ist es wohl nichts mit der Tatsache, dass immer der Verleger der Mörder seines Autors ist.“ Böhnke schluckte an seinem Bier und schmunzelte für einen Moment. „Jedenfalls nicht im wahren Leben, mein Freund, vielleicht in Krimis.“ Er stellte sein leeres Glas ab und gab der Kellnerin hinter dem Zapfhahn ein Zeichen, uns eine zweite Runde zu bringen. „Was halten Sie von Fleischmanns neuem Roman?“, fragte er beinahe beiläufig, während er durch den nur spärlich gefüllten Schankraum schaute.
    Er sei gut, der Beste, den Fleischmann bisher geschrieben habe, sagte ich anerkennend und fand wieder Böhnkes Zustimmung: „Sagt mein Buchhändler auch.“
    Aber auch das sei nicht das Thema, fuhr der Kommissar fort, sondern nur ein Randaspekt. Er richtete sich auf und reckte sich. „Halten Sie diese Geschichte von Fleischmann für echt oder für erfunden?“
    „Selbstverständlich für erstunken und erlogen.“ Es stehe doch immer der entsprechende Hinweis im Titelblatt, meinte ich ironisch. „Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“ Ich könne mir durchaus vorstellen, dass die Geschichte einen wahren Kern hätte, aber welchen Umfang dieser Teil in Fleischmanns Werk habe, das könne ich nicht sagen. Bedauernd sah ich Böhnke an. „Bestimmt hat es dieses Verbrechen ebenso wie die in den anderen Romanen beschriebenen in irgendeiner Form in irgendwelchen Kommunen gegeben.“ Über derartige kriminelle Geschehnisse in Politik und Verwaltung könne man immer wieder etwas lesen oder hören.
     
     
    Der Kommissar nickte lange und bedächtig, ehe er mir endlich entschlossen ins Gesicht sah. „Und was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen sage, dass alle diese Geschichten wahr sind beziehungsweise auf wahren Begebenheiten beruhen?“
    Ich verschluckte mich an meinem Mineralwasser und hustete heftig. „Das ist doch nicht Ihr Ernst?“ Ich sah ihn ungläubig an. „Es ist aber so.“ Böhnke rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. „Fleischmann hat Fakten und Verbrechen beschrieben, die es in dieser Form tatsächlich gab oder gibt.“
    „Wo?“
    Die überraschende Antwort Böhnkes ließ mir für einige Augenblicke den Atem stocken.

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